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Epstein-Vertraute Maxwell : Komplizin oder Sündenbock?

  • -Aktualisiert am

Insgesamt geht es für Maxwell um sechs Anklagepunkte, darunter den Handel mit Minderjährigen zum Zwecke illegaler sexueller Kontakte. Bild: Reuters

Die Anwälte von Ghislaine Maxwell stellen sie vor Gericht als Opfer dar – und ihre Verteidigung wirft den Anklägerinnen Geldgier vor. Auch das Privatleben der Frauen wird zum Angriffspunkt.

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          „Ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag kommt“, sagte Sarah Ransome am Montag gegenüber Journalisten vor dem Bundes­gericht in Manhattan. Ransome ist eine der Frauen, die dem Milliardär Jeffrey Epstein sexuellen Missbrauch, Ausbeutung und zum Teil Vergewaltigung vorwerfen. Ep­stein hatte sich 2019 in seiner Zelle erhängt, nachdem er wegen Sexualstraf­taten verhaftet worden war. In New York muss sich seit dieser Woche Ghislaine Maxwell verantworten. Die ehemalige Freundin Epsteins soll ihm geholfen haben, minderjährige Mädchen und junge Frauen zu missbrauchen. Maxwell hatte nach Epsteins Freitod monatelang die Boulevardpresse beschäftigt, weil sie erst einmal abgetaucht war, bevor sie im vergangenen Sommer verhaftet wurde.

          Die Neunundfünfzigjährige soll die loyalste Komplizin im System Epstein gewesen sein, das viele Frauen in den letzten Jahren beschrieben. Die Tochter des früheren britischen Medienunternehmers und Abgeordneten Robert Maxwell war in den neunziger Jahren zunächst Epsteins Freundin. Später habe sie ihm dann geholfen, junge Mädchen zu finden, die er sexuell missbraucht haben soll. Die Taten, um die es im Prozess gehen wird, sollen sich zwischen 1994 und 2004 ereignet haben. Insgesamt geht es für Maxwell um sechs Anklagepunkte, darunter den Handel mit Minderjährigen zum Zwecke illegaler sexueller Kontakte. Epsteins mutmaßliche Opfer werfen beiden vor, sie auch an teils prominente andere Männer vermittelt und zum Sex mit Dritten genötigt zu haben. Konkrete Vorwürfe gibt es zum Beispiel gegen Prinz Andrew und den ehemaligen Anwalt Epsteins, Alan Dershowitz.

          Staatsanwältin Lara Pomerantz sagte in ihrem Eröffnungsplädoyer, Epstein und Maxwell hätten an den verschiedenen Wohnsitzen des Verstorbenen in New York, Florida oder in der Karibik ein „Schneeballsystem des Missbrauchs“ unterhalten. Sie hätten es besonders auf junge Frauen aus armen Familien abgesehen gehabt, weil die oft nicht genügend geschützt werden könnten. Pomerantz beschrieb, dass die Angeklagte und Epstein ihren Opfern häufig Geld gegeben hätten. Vielen Mädchen hätten sie auch erzählt, dass sie deren Ausbildung finanzieren oder ihre Familien unterstützen würden. Maxwell überredete etliche der Betroffenen demnach, zuerst ihr und später Epstein angebliche Massagen zu geben. Diese seien regelmäßig zu sexueller Nötigung und Vergewaltigung eskaliert. Die jüngsten Opfer seien 14 oder 15 Jahre alt gewesen. Häufig sei Maxwell bei den Taten im Raum gewesen. „Sie wusste genau, was mit den Mädchen passieren würde“, sagte Pomerantz.

          Die Verteidiger werfen den Anklägerinnen Geldgier vor

          Als ersten Zeugen rief die Anklage einen ehemaligen Piloten Epsteins auf, der angab, dass bei Flügen in Privatjets die Regeln lockerer seien. So habe er nicht immer überblicken können, wer oder wie alt die Mitreisenden gewesen seien. Die Beziehung zwischen Epstein und Maxwell beschrieb er als eng.

          Epstein war im Jahr 2008 schon einmal verurteilt worden, nachdem die Polizei in Florida Aussagen von drei Dutzend Frauen gesammelt hatte. Damals kam er jedoch mit einer leichten Strafe davon, die sich nur auf unerlaubte Prostitution bezog – das hatte er auch Donald Trumps späterem Arbeitsminister Alexander Acosta zu verdanken, der als Bundesstaatsanwalt einen Deal mit Epstein abschloss.

          Maxwells Anwaltsteam setzt nun auf eine ähnliche Strategie wie damals. Dabei will man vor allem die Glaubwürdigkeit der mutmaßlichen Opfer schwächen. So werfen die Verteidiger den vier Frauen, auf die sich die Anklage hauptsächlich stützen will, Geldgier vor. Verteidigerin Bobbi Sternheim sprach am Montag von einem finanziellen „Jackpot“, weil aus dem Erbe von Epstein bereits mehr als 100 Frauen entschädigt wurden. „In vielerlei Hinsicht war er wie ein James Bond des 21. Jahrhunderts“, behauptete die Anwältin. „Sein Mysterium erregte Interesse, seine Anklägerinnen haben den Wunschbaum geschüttelt, und Millionen Dollar sind für sie herausgefallen.“

          Auch das Privatleben mutmaßlicher Opfer wollen die Verteidiger angreifen. Eine der Frauen habe ein „Jet-Set-Leben“ geführt und einen wesentlich älteren Freund gehabt, hieß es etwa. Sternheim bemühte die Bibel, als sie wiederum versuchte, Maxwell als Opfer darzustellen: „Von jeher, seit Eva vorgeworfen wurde, Adam mit dem Apfel in Versuchung geführt zu haben, wurden Frauen für das schlechte Benehmen von Männern verantwortlich gemacht.“ Die Beklagte sei letztlich ein Sündenbock für Epstein. Daneben will die Verteidigung auch zeigen, dass die Erinnerungen der Betroffenen nicht korrekt seien. Sternheim sagte, die jahrelange Medienberichterstattung sei dazu geeignet gewesen, die Tatsachen auch im Kopf der Betroffenen zu verzerren. Die Frauen müssen sich also darauf einstellen, dass Maxwells Verteidigerinnen sie als unglaubwürdig darstellen und ihren Charakter angreifen – eine Strategie, die in vielen Vergewaltigungsprozessen üblich ist.

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