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Fall Daschner : Menschlich verständlich - rechtlich unzulässig

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Die Staatsanwälte halten Folter für rechtlich inakzeptabel

Die Staatsanwälte halten Folter für rechtlich inakzeptabel Bild: dpa/dpaweb

Vielleicht verständlich, aber dennoch keinesfalls zu tolerieren - auf diesen Nenner läßt sich die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Frankfurt bringen, den Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner anzuklagen.

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          Vielleicht verständlich, aber dennoch in keiner Weise zu tolerieren - auf diesen Nenner läßt sich die am Freitag verkündete Entscheidung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main bringen, den Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner anzuklagen. Dieser hatte dem mittlerweile verurteilten Mörder Jakob von Metzlers Gewalt angedroht, wenn er nicht sage, wo der im September 2002 entführte Junge sei. Die Drohung hatte eine gesellschaftliche Debatte über das Folterverbot ausgelöst: Ein bißchen Folter gebe es nicht, warnten die einen. Verständnis für ein solches Vorgehen äußerten die anderen, weil Daschner das Leben eines Elfjährigen retten wollte.

          An dem Motiv des Polizisten, mit seiner Drohung den kleinen Jakob vielleicht noch lebend finden zu können, zweifelte auch die Staatsanwaltschaft nicht. Daschner und ein ebenfalls angeklagter Hauptkommissar hätten das Kind retten wollen, erklärte die Behörde. Als Daschner dem festgenommenen Magnus Gäfgen „schwere Schmerzen“ androhen ließ, mußte er davon ausgehen, daß Jakob noch lebt. Er war allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits tot.

          Folter kein zulässiges Mittel

          Das „verständliche Motiv“ der Angeklagten mache dennoch „rechtlich die Androhung von Folter nicht zu einem zulässigen Mittel“, entschied die Staatsanwaltschaft und klagte Daschner wegen Verleitung zur Nötigung an. Gegen einen Hauptkommissar, der die Anweisung seines Vorgesetzten ausgeführt hatte, erhob sie Anklage wegen Nötigung.

          Für Daschners Verteidiger Eckhart Hild war das Verhalten seines Mandanten dagegen „notwendig und verhältnismäßig“. Es sei durch Notwehr- und Nothilferechte gedeckt. Der Anwalt machte auch deutlich, daß der Fall weit über die konkreten Vorwürfe gegen seinen Mandanten hinausgeht: Es gehe um die Frage, ob die Polizei „tatenlos“ warten dürfe und müsse, „wie ein entführtes Kind qualvoll stirbt“. Als Daschners Verhalten Anfang 2003 publik wurde, hatte der Polizist in der Öffentlichkeit und auch unter Politikern Verständnis für seine Entscheidung erfahren.

          Kein Verständnis für Daschner

          Für den Sprecher der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, Nils Leopold, waren diese Reaktionen nicht nachvollziehbar: Das absolute Folterverbot lasse dieses Verständnis nicht zu, sagte Leopold nach der Anklageverkündung. Denn „ein bißchen Folter“ gebe es nicht. Eine Auflockerung würde einen „Dammbruch“ bedeuten. Der stellvertretende Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation amnesty international, Wolfgang Grenz, erklärte, „nie und unter keinen Umständen“ dürfe der Staat foltern. Das Verfahren gegen Daschner könne daher nicht die Frage behandeln, ob Folter in Einzelfällen erlaubt sei, sondern nur, wie die Schuld des Angeklagten zu bewerten sei.

          Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wiederum machte deutlich, es komme nicht auf die Bestrafung des Polizei-Vize an. Dieser habe damals „einem ungeheuren innerlichen Druck“ nachgegeben, erklärte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg. Der 60-jährige Daschner war bis zu den Drohungen gegen Gäfgen öffentlich kaum in Erscheinung getreten. Freiberg bezeichnete ihn im Deutschlandradio als „ehrenwerten Mann“. Er habe nicht aus niederen Beweggründen gehandelt. Dennoch erwartet der Gewerkschaftsvorsitzende von einem Verfahren nun die Klarstellung, daß es keine Folter geben dürfe.

          Folter unter allen Umständen zu verurteilen

          Auch für den Kriminologen Christian Pfeiffer besteht kein Zweifel an diesem Grundsatz. Eindringlich warnte der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen im ZDF vor einer Abkehr davon: „Wir zeigen mit dem Finger auf Länder, die in die EU wollen, wo angeblich noch gefoltert wird - und dann machen wir das selber, das kann doch nicht ernsthaft sein.“

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