Einbruch in Grünes Gewölbe : Ein Clan vor Gericht
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Großes Aufgebot : Die Polizei sichert den Prozess in Dresden – die Angeklagten zählen zum Remmo-Clan. Bild: dpa
Es war ein spektakulärer Juwelendiebstahl: Vor mehr als zwei Jahren wurde das Grüne Gewölbe ausgeraubt. Nun sind sechs Männer angeklagt. Vieles an dem Fall ist kaum zu fassen.
Nach allem, was die Staatsanwaltschaft am Freitag vor der Jugendkammer des Dresdner Landgerichts in ihrer Anklageschrift auflistet, hätte es den Einbruch im Grünen Gewölbe eigentlich gar nicht geben können. Dass die Angeklagten bei einer ihrer Vorbereitungsfahrten nach Dresden in der Nähe des Tatorts einer Polizeistreife entwischten, die sie wegen eines unerlaubten Wendemanövers kontrollieren wollte, mag polizeiliches Pech gewesen sein. Dass sie jedoch mindestens an drei Tagen oder vielmehr Nächten vor der Tat über den Zaun des Dresdner Schlosses steigen, den Tatort dabei bis zu einer halben Stunde lang ausspähen und präparieren konnten, wie es offenbar Überwachungskameras aufgezeichnet haben, müsste doch eigentlich jemandem aufgefallen sein. Dem war aber nicht so. Das lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Mindestens das Wachpersonal muss entweder geschlafen oder bewusst weggeschaut haben.
Doch das ist längst nicht das Einzige, was einen am Freitag fassungslos zurücklässt, als der Prozess um die gestohlenen Juwelen aus der Schatzkammer der sächsischen Kurfürsten beginnt. Der Auftakt nämlich verschiebt sich um gut eine Stunde, weil sich die Staatlichen Kunstsammlungen und mithin der Freistaat Sachsen als Geschädigte quasi spontan entschlossen haben, als Nebenkläger aufzutreten. Der Freistaat sehe darin ein besonderes Bedürfnis wegen des schweren Schadens sowie seines großen Interesses an der Wiedererlangung der Kunstschätze, heißt es in der Begründung. Warum das den Verantwortlichen erst drei Tage vor Verhandlungsbeginn einfiel, gibt Rätsel auf, wäre es doch allein deshalb schon längst geboten gewesen, um Akteneinsicht zu erlangen. Genau das kritisieren die Verteidiger: Die mit ihnen nicht abgestimmte Akteneinsicht der Nebenklage verletzte das Recht der Angeklagten auf informationelle Selbstbestimmung.
„Wir sehen uns nicht in der Lage, darüber kurzfristig zu entscheiden“, seufzt der Vorsitzende Richter und schlägt vor, der Nebenklage ein „vorläufiges Anwesenheitsrecht“ zuzubilligen. Die Verteidigung aber hat ihren ersten Punkt. 14 Anwälte vertreten die sechs Angeklagten, die kurz vor elf Uhr in Handschellen in den Hochsicherheitstrakt des Gerichts geführt werden. Einige Verwandte haben es in den Gerichtssaal geschafft, sie grüßen, lachen, nicken sich gegenseitig zu. Die zwischen 1993 und 1999 in Berlin geborenen Angeklagten sind deutsche Staatsbürger und gehören der arabischstämmigen Großfamilie Remmo an. Zwei der Angeklagten, der 25 Jahre alte Wissam und der 23 Jahre alte Ahmed, sind bereits rechtskräftig zu viereinhalb Jahren Haft wegen des Diebstahls der 100-Kilo-Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin verurteilt und verbüßen ihre Strafe inzwischen in der Justizvollzugsanstalt Dresden. Drei weitere Männer sitzen in Untersuchungshaft.