https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/doktortitel-gefaelscht-berliner-steht-mit-dreistem-thema-vor-gericht-18779900.html

Betrugsvorwürfe in Berlin : Doktor Dreist steht vor Gericht

Eine Abschlussfeier mit dem klassischen Doktorhut dürfte der Angeklagte ebenfalls nicht erlebt haben. (Symbolfoto) Bild: dpa

In Berlin muss sich ein Mann vor Gericht verantworten, der seinen Doktortitel gefälscht hat. Besonders dreist ist das Thema seiner angeblichen Dissertation.

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          „Frech, unverschämt; recht ungeniert und ohne Hemmungen sich etwas herausnehmend“ – so lautet die Definition des Duden für „dreist“. Die Staatsanwaltschaft Berlin verschickte vor Kurzem eine Pressemitteilung zu einem „mutmaßlich falschen Doktor mit Waffen im Immobiliengeschäft“, den sie angeklagt hat. Sein Vorgehen könnte als Vorlage für eine neue Definition von Dreistigkeit dienen.

          Eva Schläfer
          Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Der mutmaßlich falsche Doktor mit Waffen im Immobiliengeschäft legte im Oktober 2020 beim Berliner Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg eine Urkunde vor, die angeblich von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main ausgestellt worden war. Laut dieser Urkunde hatte ihm die Universität den Titel „Doctor rerum politicarum“, besser bekannt als „Dr. rer. pol.“, verliehen. Die Ergänzung auf der Urkunde, also vermutlich das erdachte Thema der Doktorarbeit, lautete „Moralische Ethik in der Wertermittlung“.

          Diese Zeile hätte das Bezirksamt eigentlich stutzig machen müssen, beinhaltet sie doch gleich zwei logische Fehler. „Moralische Ethik“ hat die Qualität von „seltene Ausnahme“ oder von „unverheirateter Junggeselle“. Pleonasmus nennt man dieses Phänomen der unnötigen Wiederholung übrigens, das von Korrektoren gemeinhin als schlechter Stil beschrieben wird. Pleonasmen vermittelten den Eindruck, der Autor wisse selbst nicht genau, was ein Wort eigentlich bedeutet. Gleichzeitig enthält die Zeile einen nicht auflösbaren Widerspruch: Ethik in der Wertermittlung von Immobilien scheint eine unmögliche Kombination zu sein.

          Eine Dreistigkeit zu viel

          Doch vom Schreibtisch im Einzelbüro aus ist es einfach, sich über Mitarbeiter eines Berliner Bezirksamts zu mokieren, die im Fünf-Minuten-Takt Bürgeranliegen erfüllen müssen. Und so gelangte der falsche Doktortitel in den Reisepass des Hochstaplers, der den Vorgang im September 2021 im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf wiederholte und sich von dann an auch mit seinem Perso als „Dr. rer. pol. ausweisen konnte.

          Alsdann unterschrieb der Mann, so der Anklagevorwurf, in mehr als neunzig Fällen Verträge, notarielle Urkunden und Vollmachten mit seinem falschen Doktortitel. Die falschen Ausweispapiere legte er zudem bei einem Notar vor – und auch beim Landeskriminalamt Berlin. Unsereins ist selten beim Landeskriminalamt. Was der Hochstapler dort zu suchen hatte, kann die Berliner Staatsanwaltschaft nicht beantworten, doch klar ist: Das war die eine Dreistigkeit zu viel. Denn beim LKA war der falsche Doktor bereits wegen früherer Betrugstaten im Zusammenhang mit Immobilien bekannt – deren Wertermittlung mutmaßlich nicht ganz so viel mit moralischer Ethik zu tun gehabt haben dürften. So flog erst der Hochstapler auf, und dann auch noch eine Schusswaffe, die er nicht hätte besitzen dürfen.

          Und die Moral von der Geschicht? Mit unverschämter, hemmungsloser Dreistigkeit wird man vielleicht ein falscher Doktor, aber kein moralischer Ethiker.

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