Steht im Koalitionsvertrag : Was ist denn jetzt mit der erweiterten DNA-Analyse?
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Zudem: Ein Ermittlungserfolg nach „nur“ sieben Wochen mag schnell sein. Aber hätte man nicht auch schon nach vier Wochen ohne Tatverdächtigen nach weiteren Ermittlungsansätzen suchen müssen, wenn man mit den klassischen Methoden nicht weiterkommt auf der Suche nach einem besonders gefährlichen Mann?
Forensische Genetiker und Ermittler sehen die DNA-Phänotypisierung als Ultima Ratio. Sie soll nur bei schwersten Verbrechen, also selten, zum Einsatz kommen. Und sie ist mit Bedacht anzuwenden, denn sie ist kein Instrument zur Identifizierung von Individuen wie die klassische DNA-Analyse, sondern dient der Eingrenzung: In den Fokus gerät eine Gruppe von Personen mit bestimmten äußerlichen Merkmalen oder biogeographischer Herkunft. Genau darin besteht für die Kritiker die Gefahr: Minderheiten könnten diskriminiert werden. Aber müssen die Spuren immer auf Minderheiten deuten? Ist immer der Migrant der Mörder? Können nicht vielmehr Minderheiten durch die neuen Methoden auch entlastet werden?
Veronika Lipphardt schreibt, die „Entlastung von Minderheiten“ habe, als die Einführung gefordert wurde, „keine Rolle“ gespielt. Und: Käme ein „Mehrheitsangehöriger“ mit „heller Hautfarbe“ als Spurenleger in Frage, hätte es „in den allermeisten Fällen keinen Ermittlungsnutzen“.
Blond und blauäugig war der Mörder der 16 Jahre alten Marianne V., die 1999 in den Niederlanden vergewaltigt und ermordet wurde. Er wurde letztlich durch die klassische DNA-Profilanalyse überführt, aber nur, weil er an einer großangelegten DNA-Reihenuntersuchung teilgenommen hatte. Zuvor hatte die biogeographische Herkunft, die aus der DNA-Spur bestimmt wurde, auf einen Spurenleger aus Nordwesteuropa verwiesen. Entlastet wurden all diejenigen, auf die sich zunächst die Aufmerksamkeit der Bevölkerung gerichtet hatte: die Bewohner eines Asylbewerberheims in der Nähe des Tatorts.
Ermittlungen werden durch des Ausschlussprinzip vorangebracht: je kleiner der Kreis, umso besser. Angehörige von Minderheiten müssten also, wenn die biogeographische Herkunft auf einen „Mehrheitsangehörigen“ verweist, nicht mit polizeilichen Maßnahmen wie einer DNA-Reihenuntersuchung behelligt werden, nur weil sie wegen der Nähe zum Tatort in Frage kämen. Für die Freiburger Initiative ist jedoch der Polizei ohnehin mit Misstrauen zu begegnen: „Ob eine Entlastung von Minderheiten erfolgt, ist zudem davon abhängig, ob Ermittlungsbeteiligte dies ernsthaft in Betracht ziehen.“ Lipphardt, die durchaus einen Einsatz der Methode in bestimmten Fällen für sinnvoll hält, lässt aber kaum Zweifel daran, wem mit Vorsicht zu begegnen ist: Eine „Chance“ für ein verantwortungsvolles Gesetz zur DNA-Phänotypisierung wird nur gesehen, wenn „die Befürworter/-innen keine versteckte Agenda haben, auf der andere Ziele stehen als nur die Einführung der Technologien in seltenen Ermittlungsfällen“.