Urteil im Cyberbunker-Prozess : Rechenzentrum des Verbrechens
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Die Steuerungsräume des „Cyberbunker“. Bild: LKA Rheinland-Pfalz
Weil sie die Infrastruktur für kriminelle Aktivitäten stellten, wurden die Angeklagten im „Cyberbunker“-Prozess nun verurteilt. Der Hauptangeklagte muss für mehr als fünf, seine Komplizen zwischen zwei und vier Jahre in Haft.
Es ist ein Urteil mit Signalwirkung: Nicht nur diejenigen müssen ins Gefängnis, die im Internet kriminelle Dienste anbieten, sondern auch jene, die dafür die Infrastruktur stellen. Am Montag wurden die Betreiber des sogenannten Cyberbunkers im rheinland-pfälzischen Traben-Trarbach zu Haftstrafen verurteilt. Der Hauptangeklagte, der Niederländer Herman X., muss für fünf Jahren und neun Monate in Haft, weitere sechs Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen zwei und vier Jahren. Ein weiterer Angeklagter erhielt eine Haftstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Landgericht Trier sah es als erwiesen an, dass die Beschuldigten eine kriminelle Vereinigung gebildet hatten.
In einem früheren Bunker auf einem gut gesicherten Areal oberhalb der Mosel hatten die Beschuldigten hunderte Server betrieben. Das Gebäude – ein früheres Rechenzentrum der Bundeswehr – ist über fünf Stockwerke in den Boden hineingebaut. Im September 2019 durchsuchten es bei einer Razzia hunderte Beamte, sie stellten mehr als 400 Rechner sicher. Man habe auf den Servern „keine einzige legale Seite“ feststellen können, hieß es dazu bei Prozessbeginn vor rund einem Jahr von der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz.
Daten sieht man nicht an, ob sie illegal sind
Auf den Servern wurden Darknet-Plattformen wie „Wall Street Market“ und „Darkmarket“ betrieben, auf denen Drogen, Falschgeld und gestohlene Kreditkarten gehandelt wurden. Von den Servern soll zudem 2016 ein Angriff auf Router der Telekom gesteuert worden sein. Von den Betreibern hatte es einst geheißen: „Kunden können alles hosten, was sie mögen – außer Kinderpornografie und allem, was mit Terrorismus zu tun hat“.
Laut Staatsanwaltschaft sollen die Beschuldigten die Taten gefördert haben, die Anklage lautete auf Beihilfe sowie auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert und argumentiert, die Betreiber seien weder verpflichtet noch in der Lage gewesen zu kontrollieren, was auf den Servern angeboten werde. Der Hauptangeklagte X. hatte vor Gericht angeben, von den illegalen Machenschaften seiner Kunden nichts gewusst zu haben.
Es sei nicht illegal, die bloße Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, hatte einer der Verteidiger von X., Michael Eichin, im Gespräch mit der F.A.Z. vor Abschluss des Prozesses gesagt. Den Daten sehe man nicht an, dass sie illegal seien, sie seien oftmals zudem verschlüsselt gewesen. Eichin warf den Ermittlungsbehörden vor, den Hebel „ganz vorne anzusetzen, bei demjenigen, der die Strukturen zur Verfügung stellt“, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Sein Mandant habe nicht die Absicht gehabt, illegale Daten zu hosten, wenngleich natürlich, sagt Eichin, „mit einem gewissen Ruf“ gespielt worden sei.
Rund 150 Festnahmen weltweit
Das Landgericht folgte dieser Darstellung nicht. Die Beschuldigten wurden für die Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt, nicht jedoch wegen Beihilfe. Das Gericht blieb mit seinem Urteil unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, diese hatte etwa für X. eine Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren gefordert. Die Verteidiger kündigten an, Revision einzulegen.
Aus dem Ermittlungen haben sich bislang fast 230 Folgeverfahren gegen Kunden des Rechenzentrums ergeben. Die meisten seien eingestellt worden, weil es keine Ermittlungsansätze zur Identifizierung der Kunden gegeben habe, hatte Oberstaatsanwalt Jörg Angerer von der Landeszentralstelle Cybercrime bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz kürzlich mitgeteilt. Doch aus dem größten Folgeverfahren – demjenigen gegen die Betreiber der Plattform „Darkmarket“– ergaben sich für die Ermittler Ansätze, die zu weltweit rund 150 Festnahmen führten.