BKA zu Rauschgiftkriminalität : „Das alles passiert in unserer Nachbarschaft“
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Cannabis: Die Zahl der Rauschgiftdelikte ging im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit zehn Jahren um 1,3 Prozent leicht zurück. Bild: AP
Die Legalisierung von Cannabis wird nach Ansicht des BKAs zunächst nicht zu einem Rückgang der Rauschgiftkriminalität führen. Der Drogenbeauftragte will mit einem neuen Suchthilfesystem auch das Organisierte Verbrechen schwächen.
Das Bundeskriminalamt (BKA) rechnet im Fall einer Cannabis-Legalisierung, die die Bundesregierung anstrebt, zunächst nicht mit einem Rückgang der Rauschgiftkriminalität. Angesichts der geplanten legalen Abgabe in Fachgeschäften und Apotheken sagte die Vize-Präsidentin des BKA, Martina Link: „Nur ein wettbewerbsfähiges Angebot könnte dazu führen, dass der Schwarzmarkt reduziert wird.“ Sie gehe jedoch nicht davon aus, dass der Markt verschwinde, sagte Link bei der Vorstellung des Lagebildes Rauschgiftkriminalität am Donnerstag in Wiesbaden. Cannabis sei eine vergleichsweise günstige Droge, mit der die Organisierte Kriminalität jedoch aufgrund der Menge jährlich hunderte Millionen Euro verdiene. Im vergangenen Jahr gingen rund 60 Prozent der Handelsdelikte laut der Polizeilichen Kriminalstatistik auf die Droge zurück. „Der illegale Handel mit Cannabis wird auch weiterhin unter Strafe stehen“, sagte Link und kündigte an, es werde sich auch weiterhin um „einen Bekämpfungsschwerpunkt des BKA“ handeln.
Die Zahl der Rauschgiftdelikte ging im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit zehn Jahren um 1,3 Prozent leicht zurück. Die Zahl der Handelsdelikte stieg jedoch um 2,9 Prozent auf 55.941 Fälle. Insgesamt wurden 2021 280.840 Tatverdächtige im Zusammenhang mit Rauschgiftdelikten registriert, 47.784 wurde als Tatverdächtigen der Handel vorgeworfen. Wurden 2020 noch elf Tonnen Kokain sichergestellt, waren es 2021 „mindestens 23 Tonnen“, so das BKA. Auch im Bereich Metamphetamin stellte die Polizei größere Mengen sicher und geht aufgrund dessen von einem Anstieg des Konsums aus.
Deutlich mehr Menschen starben 2021 in Folge von Rauschgiftkonsum. Die Zahl stieg um 15,5 Prozent auf 1826 Drogentote. Mehr als 80 Prozent von ihnen sind Männer. Die meisten Todesfälle durch Rauschgift pro 100.000 Einwohnern gibt es laut dem Lagebild des BKA in Hamburg (4,1) und Nordrhein-Westfalen (3,9), die geringste Zahl mit 0,5 in Sachsen. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), nannte die Zahlen auf der BKA-Pressekonferenz alarmierend.
„Der illegale Handel mit Cannabis wird weiterhin unter Strafe stehen“
Blienert verwies auf die Strategie, stärker auf Gesundheits- und Konsumentenschutz zu setzen; etwa durch mehr Prävention und Substitutionsangebote an Drogenkonsumenten. Ziel sei es „ein stabiles Suchthilfesystem zu schaffen und die Organisierte Kriminalität damit zu schwächen”, sagte Blienert. Es handele sich um „nicht weniger als einen Paradigmenwechsel“ in der Drogenpolitik, der langfristig angelegt sei. Das jüngst vorgestellte Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums zur legalen Abgabe von Cannabis sieht vor, den Erwerb und Besitz von 20 bis 30 Gramm Cannabis zu erlauben und den Eigenanbau der Pflanzen im begrenztem Umfang zu legalisieren.
BKA-Vizepräsidentin Link beschrieb eindringlich die dramatische Situation in den Niederlanden und Belgien, wo die Organisierte Kriminalität eine immer stärkere Bedrohung darstelle. Link führte als Beispiele die geplante Entführung des Justizministers in Belgien an oder den Mord am niederländischen Journalisten Peter de Vries, der mutmaßlich aufgrund seiner Rolle in einem Prozess gegen das Organisierte Verbrechen tödlich verletzt wurde. „Das alles kommt den Menschen in Deutschland weit weg vor – aber es passiert alles in unserer Nachbarschaft“, sagte Link. Auch wenn es hierzulande bislang keine derartig prominenten Fälle gebe, müsse man davon ausgehen, dass die Organisierte Kriminalität mit einer ähnlichen Brutalität vorgehen würde. Das Geld aus dem illegalen Drogenhandel werde in legale Geschäfte wie Spielhallen oder Gastronomie investiert, womit noch mehr Geld verdient und der Einfluss erhöht werde. Das BKA kündigte an, sich im Bereich der Schwer- und Organisierten Kriminalität neu organisieren zu wollen. Dafür sollen neue Stellen geschaffen werden. Um erfolgreich sein zu können, brauche man im digitalen Raum die gleichen Rechte wie im echten Leben, forderte Link im Hinblick auf die Vorratsdatenspeicherung. In mehreren Fällen wurden Ermittlungserfolge durch das Entschlüsseln von kryptierter Täterkommunikation erzielt.
Das BKA präsentierte am Rande der Vorstellung des Lagebildes eine große Menge von sichergestelltem Kokain und Heroin. In beiden Fällen konnte die Polizei auch die mutmaßlichen Hintermänner des Drogenschmuggels ausmachen und festnehmen. Obwohl es sich im Fall des Kokains um 2,3 Tonnen handelte, die aus Peru in den Hamburger Hafen kamen, nannte Christian Hoppe, in der Abteilung Organisierte Kriminalität für Rauschgiftkriminalität zuständig, die 700 Kilo sichergestellten Heroins den bedeutenderen Ermittlungserfolg. Es handele sich um die größte bislang beschlagnahmte Menge der Droge. „Bei Heroin haben wir es mit einem größeren Dunkelfeld zu tun”, sagte Hoppe. Er führte konservative Schätzungen an, wonach es 130 bis 160.000 Konsumenten der Droge in Deutschland gebe, was laut Berechnungen zu einem jährlichen Konsum von 20 bis 25 Tonnen Heroin führe. Im Schnitt würden aber nur 400 bis 450 Kilo Heroin im Jahr beschlagnahmt.