Bistum Speyer : Ständiger Missbrauch durch Priester und Nonnen
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Auch Politiker seien unter den Missbrauchstätern gewesen
Der Mann hat eine Internetseite eingerichtet, die den Namen des Frauenordens trägt. Auf dieser erhebt er weitere schwere Vorwürfe und gibt die Geschichte seines offenbar schon lange andauernden Streits um rechtliche und finanzielle Wiedergutmachung wieder. Dem Gerichtsurteil zufolge wurden Strafanzeigen wegen Verjährung eingestellt. Auf der Internetseite heißt es, die Schwestern hätten Kinder nicht nur dem Missbrauch zugeführt, sondern auch geschlagen, hungern lassen und Zwangsabtreibungen vorgenommen. Auf der Seite werden angebliche Berichte von Betroffenen möglichen sexuellen Missbrauchs auch aus anderen Einrichtungen der Niederbronner Schwestern aufgeführt, etwa aus Oberammergau und Nürnberg. Weiterhin heißt es auf der Seite, auch Politiker seien unter den Missbrauchstätern gewesen. Der vielfache Missbrauch sei mit dem Wissen von „Polizei, Justiz, Jugendamt und Bischof“ geschehen. In dem Urteil des Darmstädter Sozialgerichts, das der F.A.Z. vorliegt, ist von „authentischen Angaben“ des Klägers und „selbst Erlebtem“ die Rede. Der Mann leide als Folge des erlittenen Unrechts an einer Posttraumatischen Belastungsstörung sowie psychischen Störungen, heißt es weiter. Ans Licht kam der Fall durch die Klage des Manns nach dem Opferentschädigungsgesetz. Vom Bistum Speyer bekam er eine Summe von 15.000 Euro.
Der Missbrauchsbeauftragte des Bistums Speyer ließ dem Gericht zufolge wissen, dass es Verfahren zu vier Betroffenen des im Jahr 2000 geschlossenen Kinderheims gebe. Akten hätten nicht mehr gefunden werden können. Die Betreuung des Klägers in der Einrichtung wurde aber bestätigt. Von dem Missbrauchsbeauftragten der Niederbronner Schwestern hieß es demnach, es gebe keine Unterlagen zu dem Aufenthalt der Kinder in der Einrichtung mehr. Befragungen der Schwestern des Ordens hätten die Vorwürfe des Klägers nicht bestätigt. „Im Übrigen sei der Kontakt zu dem Kläger beendet worden.“
„Zahlungen in Anerkennungen des Leids“ geleistet
Das Bistum Speyer hat mit dem Betroffenen mehrere Gespräche geführt. „Wir glauben ihm, dass er als Kind und Jugendlicher in der Obhut des (...) Kinderheims (...) schweren Missbrauch erlitten hat“, sagte Bischof Karl-Heinz Wiesemann in einem kürzlich veröffentlichten Interview in der Bistumszeitung „Der Pilger“. Daher habe man „Zahlungen in Anerkennungen des Leids“ geleistet und Therapiekosten übernommen. Wiesemann gab weiterhin an, zwei weitere Betroffene hätten unabhängig voneinander Missbrauchsvorwürfe gegen Motzenbäcker erhoben. Dieser war von dem Kläger zuvor in dem Urteil vom Mai als Haupttäter angegeben worden. Das Bistum habe „alle Informationen der Staatsanwaltschaft mitgeteilt“, sagte Wiesemann weiter. Allerdings ist Motzenbäcker 1998 verstorben; die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht gegen Verstorbene.
Es könne sein, dass es „weitere Betroffene“ gebe, die sich bisher nicht getraut hätten, sich zu melden, sagte Wiesemann weiter. Er bat alle, die einen sexuellen Missbrauch durch Mitarbeiter der Kirche erfahren haben, mit den beiden unabhängigen Missbrauchsbeauftragten des Bistums Kontakt aufzunehmen. Er sei selbst in den vergangenen Jahren einen „schmerzlichen Weg des Lernens“ gegangen. In den Gesprächen, die er mit Betroffenen von Missbrauch geführt habe, sei ihm „die Dimension des erlittenen Leids und Unrechts immer tiefer aufgegangen“. Nur wenn sich die Kirche „den dunklen Seiten der Vergangenheit“ ehrlich stelle, sei sie Kirche im Sinne Jesu.