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Ambulante Vollnarkosen : Ärzte wegen Tod eines Kindes nach OP angeklagt

Krankenstation mit Kinderbett (Symbolbild) Bild: obs

Ein dreijähriger Junge verstarb 2021 infolge eines ambulanten Eingriffs. Laut Staatsanwaltschaft wurden nach der Vollnarkose Vitalparameter nicht erfasst.

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          Der Tod eines drei Jahre alten Jungen in einer Praxis im Landkreis Kassel hat juristische Folgen: Die dortige Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den operierenden HNO-Arzt und den Anästhesisten erhoben wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen.

          Hinnerk Feldwisch-Drentrup
          Redakteur im Ressort „Natur und Wissenschaft“.

          Dem Kind waren im April 2021 unter ambulanter Vollnarkose Polypen entfernt worden, teilte ein Sprecher mit. Laut dem Rechtsanwalt der Eltern, Jorg Estorf, wurden bei dem Jungen im Aufwachraum blutig gefärbter Husten und blaue Lippen festgestellt.

          Die Mutter habe daraufhin den Anästhesisten gerufen, der eine in den Krankenunterlagen nicht dokumentierte Substanz gespritzt habe.

          Erst nach rund 90 Minuten sei der Arzt erschienen und habe einen Atemstillstand des Drei­jährigen festgestellt. Beim Aufklärungs­gespräch, das laut Estorf am Tag des Eingriffs stattfand, sei vermittelt worden, dieser könne problemlos ambulant er­folgen.

          Kind nicht ausreichend überwacht?

          Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, es pflichtwidrig versäumt zu haben, den Patienten apparativ wie personell ausreichend überwacht zu haben. Insbesondere seien Vitalparameter wie Sauerstoffsättigung und Herzrhythmus nicht erfasst worden.

          Erst als der Anästhesist den Venenzugang aus der Armbeuge des Patienten entfernte, soll er festgestellt haben, dass etwas nicht in Ordnung sei. Daraufhin eingeleitete Reanimationsmaßnahmen hätten den Eintritt des Todes nicht verhindert. Der Junge soll wegen Hirnschäden durch Sauerstoffmangel gestorben sein, so die Staatsanwaltschaft.

          Er hätte laut Estorf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet werden können, wäre die Praxis angemessen ausgestattet gewesen. Ärzte­fehler kämen immer wieder vor, aber dies sei „ein besonders krasser Fall“. Gefragt seien nun die Behörden. „Hätte hier eine Kontrolle stattgefunden, wäre davon auszugehen, dass man einen weiteren Betrieb nicht gestattet hätte.“

          Die Sicherheit von ambulant durchgeführten Vollnarkosen wird immer wieder infrage gestellt. Derzeit laufen in Deutschland mehrere Ermittlungsverfahren wegen Todesfällen nach Zahnarzteingriffen. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat kürzlich Anklage gegen eine Zahnärztin und einen Anästhesisten erhoben in Bezug auf einen Achtzehnjährigen, der vor fast sieben Jahren starb. „Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Narkose unsachgemäß durchgeführt wurde und er in der Folge verstarb“, teilte eine Sprecherin dazu mit.

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