Jugendrichterin Kirsten Heisig : „Täter werden immer brutaler“
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Die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig beobachtet eine zunehmende Gewaltbereitschaft unter jungen Kriminellen. Bei einer Veranstaltung in Frankfurt sprach sich Heisig gegen härtere Strafen oder die Herabsetzung der Strafmündigkeit aus. Chancen sieht sie eher in der Prävention.
Jugendliche Kriminelle werden immer gewalttätiger. Das ist die alarmierende Botschaft der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig. Sie ist eine der Initiatoren des „Neuköllner Modells“, nach dem Gerichtsverfahren spätestens drei Wochen nach der Tat angesetzt werden sollen. Auf Einladung der Polytechnischen Gesellschaft sprach sie zum Thema „Prävention vor Sanktion“. Zwar sinkt die Zahl der von Jugendlichen verübten Straftaten laut polizeilichen Statistiken; im Vergleich 2009 zu 2008 betrug der Rückgang 5,9 Prozentpunkte. Allerdings misstraut Heisig, die seit einigen Jahren in dem als „Problembezirk“ geltenden Berliner Stadtteil Neukölln als Richterin tätig ist, solchen Aufstellungen. Die Polizei zähle dabei jeden Täter, aber nicht jede von dieser Person begangene Straftat. Sogenannte Intensivtäter, die in einem Jahr bis zu zehn Straftaten begingen, verfälschen ihrer Ansicht nach die Werte.
Heisig bestätigte einen Trend, den auch Kriminologen mit Sorge beobachten. „Mein Eindruck ist, dass Jugendliche heutzutage immer gewalttätiger werden. Es hat sich etwas in der Intensität der Delikte verändert“, meint die 38 Jahre alte Juristin. So habe die Zahl der brutalen Überfälle auf öffentlichen Plätzen in einem Jahr um fast zehn Prozent zugenommen. Fälle wie der an dem Münchner S-Bahnhof sind nach den Erfahrungen der Jugendrichterin schon lange keine Ausnahmen mehr.
Abgeschottet von der Gesellschaft
Heisig zufolge handelt es sich bei den „Intensivtätern“ zu 80 Prozent um Jugendliche aus Zuwandererfamilien. Sie zu integrieren, hält Heisig für die vordringliche Aufgabe. „Gerade Muslime leben oft sehr abgeschottet von der Gesellschaft, und die Kinder sind somit von Anfang an schon außen vor.“ Deswegen funktioniere die Kooperation zwischen Schule und Familie in den wenigsten Fällen. Die Eltern wüssten meist nichts davon, dass ihre Kinder regelmäßig die Schule schwänzten, oft seien sie auch nicht gewillt, etwas daran zu ändern. Dazu komme noch, dass die Jungen schon innerhalb der Familie mit Gewalt konfrontiert würden.
Trotz der beunruhigenden Entwicklung sieht Heisig die Lösung nicht in der Herabsetzung der Strafmündigkeit oder der Verschärfung der Strafen. Chancen lägen eher in einer verstärkten Prävention. Ganztagsschulen gehören ihrer Ansicht nach zu einem solchen Konzept. Zudem müsse die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Jugendämtern enger werden. Sie plädierte dafür, in besonders schwierigen Fällen das Sorgerecht schneller zu entziehen. Den Kindern könne damit eine „zweite Chance“ gegeben werden.