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Zirkuszentrum Salzburg : Auf einer Kugel gehen

  • -Aktualisiert am

Ab ins Zirkuscamp Bild: Maria Irl

Mit Motivation kann jeder mitmachen, eine Altersgrenze gibt es nicht, um Einradfahren und Salti im Salzburger Zirkuszentrum zu trainieren.

          3 Min.

          Aufgeregte Rufe hallen aus dem Zelt. Als Eingang in das 700 Quadratmeter große, grau-weiß gestreifte Vier-Mast-Zirkuszelt dient ein kleineres, orangerot gestreiftes Zelt mit Containern und Umkleiden. Am Fuße des Gaisberges, verdeckt vom Kühberg, liegt das CTC – Circustrainingscentrum im Stadtteil Gnigl in Salzburg. Eine Glastür trennt den Gast vom Trainingszelt. Ab hier heißt es: Schuhe ausziehen. Innen sieht es aus wie in einer überdimensionalen Turnhalle: Auf dem Boden liegen Matten in unterschiedlichen Farben. Zirkusbegeisterte können mit Artisten als Trainern üben und Kurse belegen. „Fast alle haben selbst schon Zirkus gemacht“, sagt Evelyn Daxner-Ehgartner. Mit Motivation kann jeder mitmachen, es gibt keine Altersgrenze. Nötig ist nur „bequemes G’wand und Neugier“, sagt die Obfrau des Vereins „Circusschulen in Österreich“, den sie mit ihrem verstorbenen Mann, Georg Daxner, 2009 gegründet hat. Auch zum Tanzen gibt es einen eigenen Bereich im Zirkuszelt mit Spiegeln und Ballettstangen. Durch eine Fußbodenheizung kann auch im Winter trainiert werden. Hier gibt es einen Schwingboden, Schwinghölzer unter den Holzplatten lassen ihn beim Tanzen ein bisschen nachgeben.

          Doppelt so hoch wie die Kinder

          Gerade trainiert eine Gruppe mit etwa 20 Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren auf zwei blauen Würfeln mit gelben Seiten unter Anleitung von zwei Trainern. Die Würfel sind doppelt so hoch wie die Kinder selbst. Sie stehen auf einem großen Viereck aus hellblauen Sportmatten, die Puzzlematten genannt werden, in der Mitte des Zeltes. Jeweils zwei der jungen Artisten knien gebückt vor dem Würfel und bilden eine Stufe, damit ein anderes Kind hinaufklettern kann. Auf der anderen Seite kann es herunterrutschen, dann ist das nächste dran. Sie sind konzen­triert bei der Sache, ab und zu hört man ein Lachen. „Die Kleinen haben Freude und Neugier an der Bewegung“, erklärt Wolfgang Neumayer. Der Dozent an der Universität in Salzburg hat durch seinen Lehrauftrag zur Ausbildung von Sportlehrern den Zugang zur Artistik gefunden. Er ist Obmann des Vereins Motorik–Tanz–Artistik. Die ganze Familie engagiert sich dort.

          Körperliche Grundlagen schaffen

          In der Mitte des Zeltes befindet sich ein hohes Stahlgestell an dem sechs Meter lange rosa, violette und orange Vertikaltücher, Ringe und andere Geräte befestigt sind. Weiter hinten stehen zwei Trampoline, um Kunststücke zu üben, bevor sie auf einer Bahn ausgeführt werden. Durch die Federung ist es weniger anstrengend, und man kann sich besser auf das Verfeinern der Turnelemente konzentrieren. Außerdem gibt es eine Grube mit Superweichboden, der sich in der Höhe verstellen lässt. Das CTC Salzburg möchte die Grundlagen beibringen, um auf eine universitäre Ausbildung in Artistik vorzubereiten. „Großer Schwerpunkt ist das Schaffen der körperlichen Voraussetzungen: Kraft, Beweglichkeit und Durchhaltevermögen“, sagt der 60-jährige Neumayer. Auch Einrad fahren, jonglieren oder auf einer Kugel gehen gehören dazu. „Talente fördern, das ist das Ziel“, sagt die 58-jährige Grundschullehrerin Evelyn Daxner-Ehgartner und erzählt von einem Jungen, der mit sechs Jahren bei ihr in der Volksschule angefangen und nie aufgehört habe, Zirkus zu machen. Jetzt besucht er eine Zirkusschule in Italien und studiert dort im Bereich der Akrobatik. In Anthering, nördlich von Salzburg, betreibt sie seit zehn Jahren ein Projekt an einer öffentlichen Grundschule, das „Zirkuskünste in den Unterricht“ implementiert. Dort gibt es den „Circus Anthelli“.

          Bis zu 25 000 Menschen trainieren dort jährlich

          Mittlerweile gibt es in dem Ort in jeder Klasse Jon­gliermaterialien und Vorrichtungen in der Turnhalle, die denen des Zirkus entsprechen. „Anthering ist das Dorf mit den meisten Einrad fahrenden Volksschulkindern. Fast 80 Prozent können mit zehn Jahren am Ende der Volksschule Einrad fahren“, berichtet Wilfried Haertl heiter. Der Geschäftsführer und Kassier ist 78 Jahre alt und setzt sich ehrenamtlich für den Verein „Circusschulen in Österreich“ ein, dem das Zelt gehört. Jährlich trainieren dort bis zu 25 000 Menschen. 40 Prozent davon sind Kinder. Eine Profigruppe mit 20 Jugendlichen trainiert viermal die Woche. Außerdem gibt es in Salzburg das Winterfestival, das größte Zirkusfestival im deutschsprachigen Raum. In vier Zelten führen Zirkuskompanien aus der ganzen Welt ihre Kunststücke in Abendveranstaltungen auf. Nach einer kurzen Trinkpause machen die Kinder Handstände und Salti auf der Trampolinbahn. „Es geht um Genuss und Freude und um unglaubliche Begeisterung“, sagt Evelyn Daxner-Ehgartner.

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