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Szenegetränke : Die Rückkehr der Limonade

Schöne neues Welt der Flaschen: Auch die Underdogs wissen, dass Geschmack nicht alles ist

Schöne neues Welt der Flaschen: Auch die Underdogs wissen, dass Geschmack nicht alles ist Bild: Matthias Lüdecke - FAZ

Cranberry oder Tannennadel und alles irgendwie natürlich: Seit dem Erfolg von Bionade explodiert der Brausemarkt. Kleine Erfinder machen die besten Szenegetränke.

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          Manchmal rufen Designer und Modeläden an, weil sie sich für die schöne Flasche begeistern. Die alternative Szene freut sich über die Unterstützung für eine brasilianische Bauern-Kooperative. Dann wieder melden sich exklusive Lebensmittelgeschäfte: Ob es da tatsächlich diese neue Limonade gebe, aus frischem Limettensaft, ganz ohne Aromen und Zusätze? Kürzlich erst machte Jakob Berndt sich auf den Weg zu einer Kundenverkostung in einem altehrwürdigen Feinkostgeschäft in Hamburg. Der Achtundzwanzigjährige sah aus wie immer: Jeans, Chucks, auf dem Kopf seine schwarze Baumwollmütze. Er schleppte Getränkekisten in den Laden, in dem die Verkäufer gestärkte Schürzen und den Kunden ihren Einkauf tragen. Dann servierte der Kulturwissenschaftler der geneigten Kundschaft: LemonAid. Nur die Mütze musste er vorher abnehmen. Der Marktleiter hatte ihn mit den Worten begrüßt: „So geht das hier nicht, junger Mann.“

          Julia Schaaf
          Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Früher war nicht alles besser. Es war nur einfacher. Es gab die großen Marken wie Fanta, Sinalco, Bluna, Mirinda. Es gab Orangenlimonade oder solche mit Zitronengeschmack. Und wer etwas auf sich hielt oder ein aufkeimendes Ernährungsbewusstsein pflegte, gab den Kindern Saft zu trinken und predigte die Abstinenz von Zuckerwasser und Chemie. Aber irgendwann kam Bionade, und plötzlich war alles anders: Brause war nicht nur rehabilitiert. Sprudelige Süßgetränke aus Bierflaschen mit schicken Etiketten und ungewohntem Geschmack galten auf einmal als cool. Und im Schlepptau der Bio-Limo aus der Rhön ist der Markt gewissermaßen explodiert. Ganz gleich, ob im Reformhaus, im Discounter oder in einer kleinen Bar im Hamburger Schanzenviertel: Die Qual der Wahl besteht zwischen Aloha, Beo, Bios, Fritz-Limo, Now, Wostok und Zisch. Zwischen Cranberry, Lemongras und Tannennadel, zwischen Apfel-Birne, Mango-Lime und Green Herbs. Anspruch auf Vollständigkeit ausgeschlossen. Fachleute gehen davon aus, dass allein im vergangenen Jahr - neue Verpackungen und Flaschengrößen eingerechnet - rund achtzig Limo-Innovationen auf den Markt gedrängt sind.

          Schließlich stand ihr Rezept

          „Der Erfrischungsgetränkemarkt lebt von ständigen Veränderungen“, sagt Detlef Groß, Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke, und spricht dennoch von einer schwierigen Lage: Obwohl der Absatz steige, gingen die Erträge zurück. Weil mit Orangen- und Zitronensprudel kaum mehr Gewinn zu machen sei, hofften die Hersteller auf höhere Margen, indem sie ihr Angebot erweiterten. Wen schert es da, wenn angeblich neue Produkte Kopien und Variationen erfolgreicher Vorbilder sind? Und interessanterweise inspiriert der Bionade-Mythos nicht nur die großen Brauereien und Mineralbrunnen. Dass ein kleines, konkursbedrohtes Familienunternehmen in der Rhön es schafft, ein völlig neuartiges Szenegetränk zu etablieren und damit sehr viel Geld zu verdienen, motiviert auch Erfinder fernab der Getränkeindustrie.

          Irgendwann kam Bionade, und von da an war alles anders
          Irgendwann kam Bionade, und von da an war alles anders : Bild: dpa

          München, April 2009: Die ersten 2000 Flaschen „Sutherlandia“ sind abgefüllt. Gut ein dreiviertel Jahr haben ein Fotograf und ein Bauingenieur experimentiert. Sie haben Tee gebrüht aus einer südafrikanischen Heilpflanze, die so bitter ist, dass man die Tabletten kaum schlucken mag. Sie haben den Aufguss mal länger, mal kürzer ziehen lassen. Sie haben Zucker hineingetan, mal mehr, mal weniger. Sie haben Säfte dazugekippt und befunden, dass Johannisbeere am besten schmeckt. Schließlich stand ihr Rezept. Dann brauchte es noch ein bisschen Unterstützung von Fachleuten aus der Getränkeentwicklung und eine Brauerei zum Abfüllen. Heute redet Reinhold Hennes von „Trägern“, wenn er Getränkekisten meint, und lässt eine eigene Teemaschine bauen. Ein campariroter Bitter, der weder Farb- noch Aromastoffe enthält: Nach und nach spricht sich die Existenz des aparten Drinks in der Münchner Gastronomie herum. Gerade hat der örtliche Kaufhof die ersten Flaschen geordert.

          „Wir mussten über echte Nachfrage wachsen

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