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Seenotrettung : Die Seenotretter

  • -Aktualisiert am

Bild: von Zubinski

Schiffe freischleppen und leichtsinnige Hobbysegler bergen: Die Männer sind oft schon da, bevor jemand in der Nordsee Schiffbruch erleidet.

          5 Min.

          Respekt vor der See sollte man immer haben“, stellt Vormann Torsten Möllenberg auf dem Seenotrettungskreuzer Hermann Rudolf Meyer klar. Das 23 Meter lange, sechs Meter breite Schiff, mit einem Tochterboot ausgerüstet, liegt ruhig im Hafen von Helgoland. Der Himmel ist blau, es weht nur leichter Wind – doch das kann sich schnell ändern. Allerdings laufen selbst bei Windstärke 12 sowohl der Kreuzer als auch sein Tochterboot noch aus. Für die flachen Gewässer im Revier Bremerhaven ist die Hermann Rudolf Meyer mit ihren 1,60 Metern Tiefgang ideal. Das Tochterboot ist so flachgehend. „Damit kommt man fast immer noch durchs Watt“, erklärt Möllenberg, ein gelernter Nautiker mit Vollbart und langen weißen Haaren. Heute liegt sein Schiff ausnahmsweise vor Deutschlands einziger Hochseeinsel, als Ersatz für die Hermann Marwede. Beide Kreuzer gehören zu den zwanzig Seenotrettungskreuzern der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, DGzRS, die zusammen mit den 40 Seenotrettungsbooten im gesamten Küsten- und Hochseegebiet Deutschlands zu Hilfe eilen, wenn jemand Schiffbruch erleidet.

          Mit der Hermann Rudolf Meyer

          Möllenberg kommt aus einer Seefahrerfamilie, sein Vater war Kapitän. Schon mit fünfzehn Jahren fuhr er in seinen Ferien zur See, und 1978 begann er seine dreijährige Lehre, die er mit dem Matrosenbrief abschloss. Danach machte er sein Kapitänspatent, das heute Schiffsführerpatent heißt. Im Februar 2000 nahm Möllenberg die Stelle bei der Seenotrettung an. „Wir kommen oft schon, bevor etwas passiert“, erklärt er. Das bedeutet in vielen Fällen freischleppen, wenn der Tiefgang zu tief ist und das Schiff aufläuft. Wenn ein Schiff Maschinenschaden hat und in eine vielbefahrene Schifffahrtsstraße zu treiben droht und Containerschiffe durchfahren müssen, ist es wichtig, dass das schnell passiert. Mit den zwei Propellern zu je 1350 PS und einem Bugstahlruder, mit dem man auf der Stelle wenden kann, ist die Hermann Rudolf Meyer dafür gut geeignet. Die absolute Ausnahme seien zum Glück gravierende Einsätze, wie jener, den Möllenberg 2001 miterlebte, als am zweiten Weihnachtsfeiertag bei minus 12 Grad Celsius ein Flugzeug in die Weser bei Bremerhaven stürzte. Elf Menschen starben, nur eine Frau überlebte schwer verletzt. Ausgelöst werden die Einsätze durch Funknotrufe, per Handy oder aber auch durch Lotsen oder Beobachter. Wenn der Seenotrettungskreuzer in Bremerhaven liegt und zum Beispiel ein medizinischer Notfall gemeldet wird, dauert es gerade einmal fünf Minuten, bis das Schiff unterwegs ist. Braucht man einen Arzt, sind es vielleicht zwölf Minuten, aber dieser Zeitraum schließt dann die Ankunft eines Notarztes mit Equipment an Bord ein.

          Ausflaggen bedeutet wenig Geld für die Matrosen

          Das funktioniert, weil die Mannschaft gut zusammenarbeitet. „Auf jedem Schiff ist der Zusammenhalt wichtig“, erklärt der Kapitän, der bei den Seenotrettern Vormann genannt wird. „Man muss das wie eine große WG sehen.“ Die Hermann Rudolf Meyer ist standardmäßig mit vier Seenotrettern besetzt und nicht zuletzt wegen des engen Raumes, auf dem sie leben, müssen sie Teamplayer sein. 24 Stunden am Tag verbringt ein Seenotretter auf dem Schiff, und das 14 Tage am Stück. Danach verbringt er zwei Wochen zu Hause. Da jede Woche zwei Mannschaftsmitglieder wechseln, arbeitet die Besatzung in unterschiedlicher Zusammensetzung. Zurzeit sind auf der Station Bremerhaven neun Festangestellte, die in diesem 14- Tage-System arbeiten, plus zwanzig Freiwillige, beispielsweise als Ersatz für Ausfälle oder für Arbeiten vor Ort. Möllenberg schätzt dieses System dank der Nähe zur Heimat. Für ihn und viele andere ist dieser Arbeitsrhythmus attraktiver als für acht Monate auf See anzuheuern oder eine Trampfahrt zu machen, bei der man auf Frachtern fährt, ohne den jeweils nächsten Hafen zu kennen. Außerdem werde, wenn ein Schiff ausflagge, oft nach ausländischem Recht bezahlt und das bedeute verhältnismäßig wenig Geld für deutsche Matrosen.

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