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Kroatische Kultur : Ein Kessel Buntes

  • -Aktualisiert am

Bild: Andrea Koopmann

Kroatische Kultur in der Scheune: Die Künstler treten kostenlos auf, die Gäste bringen Essen mit. Ein Paar und sein ungewöhnlicher Kulturtreff in Kroatien.

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          Yoshio Tamura hatte am 5. Juni 2011 als japanischer Botschafter in Kroatien ein außerordentliches Programm. Zunächst gehörte er zu den etwa 400 000 Menschen, die im Hippodrom Zagrebs die Messe von Papst Benedikt XVI. besuchten. Es war eine der größten Veranstaltungen in der Geschichte der kroatischen Hauptstadt. Anschließend wollte Tamura aber unbedingt noch in eine Scheune. Der Kontrast könnte kaum größer sein. Von der Massenveranstaltung in der brodelnden Großstadt, an der ein Zehntel der kroatischen Gesamtbevölkerung teilgenommen hatte, in die tiefste Provinz, etwa 60 Kilometer östlich von Zagreb, nach Kostanj, in ein kleines, zersiedeltes, nahezu verlassenes Dorf. Von den Tribünen der international bekannten Pferderennbahn rund um das Zagreber Messezentrum, in einen unauffälligen Schuppen, der mit unterschiedlichen Baumaterialien zusammengehalten wird und im Winter zugig und oft eiskalt, im Sommer brütend heiß und voller Mücken ist.

          Theaterfrau und Kameramann

          Die Scheune mit dem kleinen Wohnhaus liegt an einer schmalen, holprigen Landstraße, die hinter dem Anwesen schon bald an Fischteichen endet. Und doch ist diese Scheune ein Ort mit magischer Anziehung. Schuld daran sind Mirjana Sačer Bobanac und Davorin Supek. 1994 kamen sie durch Freunde nach Kostanj, verliebten sich in die ruhige Lage und kauften das alte Bauerngehöft. Supek arbeitete unter anderem als Kameramann für das kroatische Fernsehen. Begeistert erinnert sich der 80-Jährige: „1967 habe ich als Kameramann eine Reportage in Israel gedreht, während des Sechs-Tage-Kriegs.“ Supeks Lebensgefährtin wurde 1946 in Makarska in Süddalmatien geboren. Der Vater war Polizist, sie eines von drei Kindern. „Als Kind habe ich mich auch schon für Politik interessiert“, sagt die 70-Jährige. Mit 16 Jahren veröffentlicht sie ein Gedicht über Patrice Lumumba, den ersten Premierminister des unabhängigen Kongos, der ermordet wurde. Nach dem Gymnasium arbeitet sie zunächst in der Galerie eines Studentenzentrums, die letzten 30 Jahre ihres Berufslebens im Empfang des National-Theaters in Zagreb. Hier kümmert sie sich um Mitarbeiter, Schauspieler, Sänger, Maler, Tänzer, Autoren und prominente Besucher.

          Stillsitzen kann sie nicht

          Bobanac ist seit 2011 pensioniert, im selben Jahr wurden ihre gesammelten Gedichte publiziert. „Mijenjanje Krajolika“ lautet der Titel, in deutscher Sprache etwa „Die Landschaft ändern“. „Nämlich die physische und die geistige Umgebung“, wie die Autorin betont. Zwar ist ihr zum Zopf geflochtenes, fast ein Meter langes Haar längst grau geworden, aber stillsitzen kann die Frau nicht, die ihr gesamtes Leben „Menschen miteinander in Kontakt bringen“ wollte. Das ist in der Kulturscheune seit mehr als 20 Jahren ihr Lebensprogramm geworden. Schon bei der Besichtigung der Scheune habe das Paar sofort eine Bühne vor seinen Augen gesehen. Geld war keines vorhanden. Bobanac erklärt: „Wir sind nicht an materiellem Reichtum interessiert, sondern an einer reichen Kultur und vielfältiger Freundschaft.“ So wurde zwangsläufig viel improvisiert. Baustoffe kamen als Spenden, ausrangierte Schulbänke, Tische, Stühle und Sessel wurden gesammelt, die Bühne wurde zusammengezimmert. Auch heute noch klettert man über lose aufeinander gestapelte Bausteine auf die kleine Plattform hinauf. Das ehemalige Bauerngehöft wurde so zu einem kleinen, bunten Biotop, zu einem „Patchwork aus Natur, Mensch und Kultur“, wie Mirjana Bobanac es beschreibt.

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