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Gedächtnissport : Das Bild vom Beil und Flugzeug bleibt hängen

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Ein gutes Gedächtnis ist erlernbar, sagt der Präsident des Gedächtnissportvereins MemoryXL. Dabei helfen Bilder und Lerntechniken.

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          Stellen Sie sich vor, Sie laufen durch Moos. Sie fühlen, wie es an den Füßen kalt wird, hören die schmatzenden Geräusche und riechen es vielleicht auch ein bisschen. Und plötzlich steht dort eine Kuh vor Ihnen, die dieses Moos kaut. Wenn Sie sich dieses Bild einprägen, haben Sie sich die größte Stadt Europas gemerkt – Moskau“, behauptet Boris Nikolai Konrad. Der 26-jährige Gedächtnissportler mit dem frechen Kurzhaarschnitt und schelmischen Lächeln kann sich mit solchen simplen visuellen Vorstellungen eine große Anzahl von Wörtern, Zahlen und Namen in kurzer Zeit merken. Zum Beispiel die zehn größten Städte Europas.

          Die Mnemotechnik, das heißt die Kunst, die das Einprägen durch besondere Lerntechniken vereinfacht, ist schon seit der Antike bekannt. Der Gedächtnissport jedoch ist eine recht junge Mentalsportart mit dem Ziel, möglichst viele Zahlen, Wörter oder Geschichtsdaten in kürzester Zeit zu memorieren. Im Alltag erschließen sich viele Situationen, in denen man die Mnemotechniken sinnvoll anwenden kann. Ob Einkaufszettel, „To-do-Liste“ oder Stichpunkte für einen Vortrag, für jeden sind sie hilfreich. Und für jeden sind sie auch zugänglich.

          Nur 13 von 20 Wörtern merken

          „Ein gutes Gedächtnis ist erlernbar“, erklärt Boris Konrad, Doktorand am Max-Planck-Institut für Psychologie in München. „Es gibt im Gehirn nicht den Bereich Gedächtnis, sondern es werden beim Lernen immer nur einzelne Teile aktiviert. Beim Gedächtnistraining wird nun im ersten Schritt versucht, sich Dinge, die man zum Beispiel liest, vorzustellen, um weiter Gehirnareale zu beanspruchen und so die Gedächtnisleistung zu erhöhen“, verdeutlicht er. „Deshalb ist das Fundament der Mnemotechnik das Denken in Bildern.“ Dazu gibt der Gedächtnistrainer, der Seminare und Vorträge zu diesem Thema in großen Unternehmen hält, gleich ein Beispiel: „Versuchen Sie sich doch mal die Wörter Flugzeug und Beil einzuprägen. Am einfachsten stellen Sie sich ein Flugzeug vor, wie es gerade von einem Beil in zwei Teile zerhackt wird. Das Bild wird hängenbleiben.“

          Laut Boris Konrad kann sich der durchschnittliche Deutsche, der die Mnemotechniken nicht beherrscht, nur 13 von 20 Wörtern merken. Wer jedoch die vorgegebenen Begriffe verbildlicht und zusätzlich noch mit Geräuschen und Bewegungen verknüpft, kann sich leicht alle 20 Begriffe behalten und benennen.

          Das Gehirn kann gut verknüpfen

          Beim Gedächtnissport geht es aber nicht nur um das reine Auswendiglernen, sondern auch darum, dass man die Daten chronologisch wiedergeben kann. Hierbei wenden Gedächtnissportler die Routenmethode an, welche schon bei griechischen Rhetorikern bekannt war. „Das Gehirn kann sehr gut Bekanntes mit Unbekanntem verknüpfen“, sagt Boris Konrad. „Das bedeutet, dass unser Gehirn sich sehr gut Orte und Wege vorstellen kann, die uns sehr geläufig sind, wie unsere Wohnung oder unseren Körper. Denkt man sich jetzt dort eine Route aus, zum Beispiel von den Füßen über den Bauch und der Brust bis zu den Augen und verknüpft mit jedem Routenpunkt verschiedene Informationen, führt dies zu einer noch besseren Lernleistung. Außerdem hat man sich die Begriffe gleich in der richtigen Reihenfolge gemerkt“, veranschaulicht er, und seine Begeisterung ist ihm dabei deutlich anzumerken.

          Wenn die verbildlichten Wörter noch zusätzlich mit Emotionen wie Freude, Ekel oder auch Traurigkeit in Verbindung gebracht werden, prägen sie sich noch besser ein. „Gucken Sie mal auf Ihre Brust, Ihren sechsten Routenpunkt. Da kommt gerade eine riesige, eklige Made heraus. Und diese Made ist so groß, dass ein Reiter darauf sitzt. Damit haben Sie sich die sechstgrößte Stadt Europas gemerkt – Madrid.“

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