Jakobsweg : Ein Grab als Ziel
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Früher hat er in der Fabrik gearbeitet, jetzt ist er Rentner und betreut Pilger auf dem Jakobsweg. Agustín del Toro aus Bilbao freut sich über all die Nationen.
Buen Camino“, also „Guter Weg“, so begrüßen sich die Pilger auf dem Jakobsweg. Er besteht aus mehreren Pilgerwegen, die durch ganz Europa verlaufen und ein Ziel haben: das Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela im spanischen Galicien. Die ersten Pilger kamen in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts waren es durchschnittlich 20 000, im vergangenen Jahr dagegen 347 538 Pilger, die sich in Santiago de Compostela eine Urkunde ausstellen ließen. Durch diesen Anstieg sind Freiwilligenverbände entstanden. Sie bauen zum Beispiel Herbergen, informieren und achten auf den Zustand der Wege. So wie Agustín del Toro, der schon 20 Jahre Mitglied der Asociación de Amigos de los caminos de Santiago von Biskaya im Baskenland ist. „Ich war schon immer ein aktiver Mensch“, sagt er lächelnd. Nach der Arbeit in der Fabrik nutzte er seine wenige Freizeit, um jagen zu gehen. Dadurch sei er es gewohnt, lange Strecken zu laufen. Als Rentner machte er selbst den Jakobsweg. Nach der tollen Erfahrung wollte er eine Spende für den Verein machen. Ein Mitarbeiter habe ihn aufgefordert, bei ihnen als Freiwilliger zu arbeiten. „Ich war noch nie so aufgeregt“, sagt del Toro. Nun ist er Präsident des Vereins in seiner Heimat Bilbao.
Religiöse, kulturelle, sportliche Gründe
Agustín del Toro zufolge machen gleich viel weibliche und männliche Pilger den Jakobsweg. Mehr als die Hälfte sind zwischen 30 und 60 Jahre alt. 47 Prozent gehen sowohl aus religiösen als auch aus kulturellen oder sportlichen Gründen. Jeder Zehnte gibt zu, dass er es nicht aus religiösen Gründen tut. Einige sind mit dem Fahrrad oder zu Pferd unterwegs. Agustín del Toro beeindruckt vor allem die Vielfalt der Nationalitäten. Die Hälfte sind Spanier, gefolgt von Italienern und Deutschen. Fast alle beginnen in Spanien. Von den insgesamt 25 000 deutschen Pilgern, die 2018 den Jakobsweg gemacht haben, sind 400 in Deutschland gestartet. Der bekannteste Weg ist der Französische Weg, beginnend in Saint-Jean-Pied-de-Port. Weitere Caminos sind zum Beispiel die Ruta portuguesa, also der portugiesische Weg, oder der Camino del Norte in Nordspanien, der an der Küste über Bilbao nach Galizien führt. „Die Hälfte der Pilger beginnt allein und beendet den Weg mit anderen Pilgern, vor allem weil es viel unterhaltsamer ist“, erklärt del Toro. Der Präsident erzählt gern davon, dass jeder Pilger, der einen kaputten Schuh habe, den anderen Schuh auf dem Weg lasse, damit die folgenden Pilger, die dringend einen Schuh benötigen, ihn als Ersatz nehmen können.
In den Herbergen wird abgestempelt
„Es gibt bestimmte Symbole, die den Jakobsweg bezeichnen, das repräsentativste ist die Muschel“, sagt er und holt aus dem Schrank eine weiße Muschel von der Größe einer Hand, die mit einem roten Kreuz bemalt ist. Das Kreuz wird auf Spanisch Cruz de Santiago de Compostela genannt. Er erwähnt andere Symbole wie den Kürbis, den Stab oder den gelben Pfeil auf den Wegen, der die Richtung anzeigt. Um nachweisen zu können, dass man den Jakobsweg gemacht hat, dient das Credencial, ein Dokument, das in den Herbergen abgestempelt wird. Um in Santiago eine Urkunde zu erhalten, müssen die letzten 100 Kilometer auf jeden Fall dokumentiert sein. Laut del Toro sollten alle Menschen diese Erfahrung mindestens einmal in ihrem Leben machen.
Fünf Kilo hat sie nach Hause geschickt
So wie Alena Mauth von der Deutschen Schule Bilbao. Die junge Lehrerin ist den Jakobsweg von Laredo in Kantabrien bis nach Santiago de Compostela mit ihrem Bruder gelaufen. Die ungefähr 600 Kilometer lange Strecke hat sie in vier Wochen geschafft. Sie habe während dieser Zeit viele Menschen kennengelernt, daraus entwickelten sich Freundschaften, die sie bis zum heutigen Tag behalten hat. „Man konnte selbst entscheiden, ob man den Weg allein oder mit anderen Pilgern machen wollte. Unsere Privatsphäre wurde immer respektiert“, sagt sie und erzählt, dass sie abwechselnd Gespräche geführt und Musik gehört habe. Die beiden Geschwister haben die Nächte in Herbergen verbracht, die sie als sauber und ordentlich bezeichnen. „Sowohl in den Herbergen als auch auf dem Camino hat man eine freundliche Atmosphäre gefühlt.“ Allerdings sei ihr Rucksack zwölf Kilogramm schwer gewesen, deshalb habe sie rund fünf Kilogramm nach Hause geschickt, weil es zu anstrengend war, es pausenlos zu tragen. „Man denkt meistens, dass es viel besser ist, viele Kilometer in weniger Zeit zu laufen, dennoch muss man bedenken, dass wir Menschen sind und unsere Energie nicht unendlich ist.“ Doch sie habe mit der Zeit gelernt, dass man geduldig sein müsse, um ein Ziel zu erreichen.