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Hirnforscher Hüther über Jungs : „Das Wichtigste wäre ein richtig guter Vater“

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Gerald Hüther: „Im Orchester der kleinen Jungen rücken die Pauken und Trompeten stärker nach vorne”

Gerald Hüther: „Im Orchester der kleinen Jungen rücken die Pauken und Trompeten stärker nach vorne” Bild: F.A.Z. - Christian Burkert

Der Hirnforscher Gerald Hüther fordert im F.A.S.-Interview bessere Vorbilder für kleine Jungs. Dafür aber müssten die Männer umdenken, damit nicht „ein Teil der Jungs auf der Strecke bleibt“.

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          Der Hirnforscher Gerald Hüther fordert im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bessere Vorbilder für Jungs. Dafür aber müssten Männer umdenken.

          Professor Hüther, bedauern Sie es manchmal, ein Mann zu sein?

          Ich bin gerne ein Mann, jedenfalls mittlerweile.

          Und wenn Sie eine Frau wären?

          Dann hätte ich wahrscheinlich nicht so lange gebraucht, um einen Zugang zu mir selbst zu finden. Und ich hätte mich nicht so oft im Leben verrannt.

          Sind daran die Gene schuld?

          Typische Verhaltensunterschiede zwischen Männern und Frauen sind nicht genetisch determiniert. Diese gängige Vorstellung müssen wir aufgeben.

          Gibt es denn biologische Gründe, warum Männer besser rückwärts einparken können als Frauen?

          Zur Zeit ist viel davon die Rede, dass erwachsene Männer ein anderes Gehirn haben als Frauen. Neurobiologen haben etwa gezeigt, dass der Hippocampus bei Männern im Durchschnitt etwas dicker ist. Das ist die Region im Gehirn, mit der man sich räumlich orientiert. Damit kann man besser rückwärts einparken. Aber das ist langweilig. Der entscheidende Punkt ist nicht, wie sich erwachsene Hirne unterscheiden, sondern wie es dazu kommt. Warum ist denn der Hippocampus bei den Männern dicker?

          Ja, warum?

          Schon kleine Jungs, die auf die Welt kommen, orientieren sich stärker im Außen und benutzen deshalb mit besonderer Begeisterung die Hirnregion, die dabei aktiv wird. Deshalb entwickelt sich ihr Hippocampus stärker. Das Gehirn ist ein Organ, mit dem wir uns in der Welt orientieren, aber es wird erst im Kontakt mit dieser Welt geformt. Sprich: Unser Hirn wird so, wie wir es benutzen, besonders, wenn wir dabei begeistert sind.

          Und wieso begeistern sich Jungs und Mädchen für unterschiedliche Dinge?

          Die genetischen Anlagen für die Ausbildung des Gehirns sind bei beiden Geschlechtern gleich. Bis auf das Y-Chromosom besitzen Männer und Frauen dieselben Chromosomen. Und auf dem Y steht nichts, was für den Hirnaufbau entscheidend wäre, es sorgt nur dafür, dass dem Embryo Hoden wachsen. Die allerdings produzieren das Hormon Testosteron. Deshalb findet die Hirnentwicklung unter anderen Rahmenbedingungen statt.

          Wozu führt der höhere Testosteronspiegel?

          Man kann das kindliche Gehirn mit einem Orchester vergleichen. Eigentlich ist die Besetzung bei Männern und Frauen gleich. Aber wegen der vorgeburtlichen Testosteroneinwirkung rücken im Orchester der kleinen Jungen die Pauken und Trompeten stärker nach vorne, während die harmonischen Instrumente in den Hintergrund treten. Man könnte auch sagen, Jungs machen sich von Anfang an mit mehr Antrieb auf den Weg.

          Ist damit ausgemacht, dass Männer häufiger in Vorstandsetagen und Gefängnissen landen als Frauen, dass ihr Sprachvermögen schlechter ist, dass sie seltener Depressionen bekommen, aber eher zu Drogen greifen?

          Ausgemacht ist nur, dass Jungs im Durchschnitt mehr Halt im Außen brauchen. Sie orientieren sich stärker im Raum und suchen nach etwas, das ihnen Bedeutsamkeit verschafft. Neugeborene Mädchen haben das weniger nötig. Die haben in sich selbst genug Halt.

          Bezeichnen Sie Männer deshalb als das schwache Geschlecht?

          Männern fehlt ein zweites X-Chromosom. Das kann man mit einem Auto ohne Ersatzrad vergleichen. Alle anderen Chromosomen müssen paarweise vorhanden sein, damit ein Embryo lebensfähig ist. Nur den Mann schickt die Natur mit diesem einzelnen X-Chromosom auf die Welt. Das macht das männliche Geschlecht anfälliger. Hebammen wissen das. Wenn es in der Embryonalentwicklung oder direkt nach der Geburt Komplikationen gibt, sterben weitaus häufiger die Jungs. Und auch später gilt: Wenn ein Kind konstitutionell schwächer ist, muss es mehr tun, um Stabilität zu finden. Nicht umsonst haben Jungs diese Affinität zu allem, was gewaltig und stark aussieht.

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