Abspeckprogramme : Fette Chance, mageres Ergebnis
- -Aktualisiert am
Dickmacher Big Mac Bild: dpa
Die kürzlich veröffentlichte Studie „Ernährung in Deutschland 2008“ zeigt: Die Generation XXL nimmt zu. Zahlreiche Programme sollen Kinder und Jugendliche beim Abspecken unterstützen. Ob sie wirken, weiß niemand.
Den Gürtel enger zu schnallen ist im Diät-Monat Januar kollektives Anliegen. Wie dringend es ist, steht in der soeben veröffentlichten Nestlé-Studie „Ernährung in Deutschland 2008“. Schwerwiegende „Ernährungsdefizite“ in der jüngeren Bevölkerung werden gemeldet, insbesondere „Heißhungerattacken auf Ungesundes“, „zu geringe Trinkmenge“, „zu viele Süßigkeiten“. Tags darauf schlug die „Stiftung Kindergesundheit“ Alarm: Nicht nur, dass der Nachwuchs zu viele Pfunde mit sich herumschleppt - immer mehr Babys kommen bereits als „Moppel-Ich“ zur Welt. „Kinder, die schon im Mutterleib überfüttert wurden, werden auch später mehr essen, als sie brauchen.“
So weit, so schlecht. Messerscharf hat die Politik - das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) - Handlungsbedarf erkannt. Wer die Website des BMELV ansteuert, stößt auf eine gemeinsam herausgegebene Broschüre: „Förderung von gesunder Ernährung und mehr Bewegung“. Und bei www.kinder-leicht.net werden auf mehr als hundert Seiten zahlreiche Programme in Bundesländern, Städten und Gemeinden aufgeführt. Ihr Ziel: Kinder und Jugendliche sollen abspecken und runter vom Sofa.
Verbote bringen nichts
Strikte Verbote und Radikal-Diäten bringen bekanntlich nichts. Umso mehr Phantasie war offenbar gefragt, um den Angeboten Namen zu geben. „FitKids“, „Kinderleicht und bärenstark“, „PommeFRIZ“, „Mobydick“, „JumboKids“ oder „Coolfoodplanet“. Furchtbar lustige Bezeichnungen, die an den berühmten Löffel Zucker erinnern, mit dem bittere Medizin kaschiert werden soll. Vollmundig fallen auch die Konzepte der Psychologen, Ökotrophologen und Physiotherapeuten aus, die alle mitverdienen wollen. Von „psychosozialem Ansatz“ oder „motivationsgesteuerten Modulen“ ist die Rede, unbedingt sollen die Kleinen „die Lust am gesunden Essen entdecken“. Gut gemeint, aber längst nicht gut gemacht. „Meist steckt dahinter bloß ,Schürze um und Möhren schnippeln'“, lästert eine Schulärztin. Grundschüler malen ihr Körperschema an die Tafel oder kreuzen auf einem Arbeitsbogen an, wie viel Zucker in einer Flasche Cola steckt - aha! Die Lust auf Süßes oder Chips bleibt davon unberührt.
„Da werden unterschiedlichste Therapie-Angebote begünstigt“, sagt die Duisburger Internistin Annette Chen-Stute. „Ob etwas dabei herauskommt, ist ungewiss. Denn wer evaluiert das, um Erfolg oder Misserfolg zu dokumentieren? Niemand weiß es.“ Die Internistin beobachtet die Szene der Therapie-Gruppen und -Grüppchen genau. Sie selbst leitet ein Adipositas-Zentrum am Bethesda-Krankenhaus in Duisburg und ein weiteres in Oberhausen. Fettsucht und Übergewicht unter Jugendlichen werden in den nächsten Jahren immer höhere Kosten verursachen, so viel ist unter Medizinern wie Epidemiologen unbestritten. Umso wichtiger wäre es sicherzustellen, dass nicht nur Programme großzügig mit öffentlichem Geld gefördert werden, sondern auch deren Auswertung. „Es macht uns kirre, wie klein die Erfolge sind“, bestätigt eine Hamburger Fachärztin, die mit Rücksicht auf die Interessen ihres Arbeitgebers lieber anonym bleibt. „Wer von den Anbietern dieser Programme Geld erhält und wer nicht, ist einzig und allein auf Lobbyarbeit zurückzuführen - und nicht auf die nachweisbaren Ergebnisse.“