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Immer mehr Zuwanderer bleiben : Deutschlands Bevölkerung wächst

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Um 92.141 Menschen ist die Bevölkerung in Deutschland im vergangenen Jahr gewachsen.

Um 92.141 Menschen ist die Bevölkerung in Deutschland im vergangenen Jahr gewachsen. Bild: Rainer Wohlfahrt

Die Zahl der Geburten hat in Deutschland im Jahr 2011 einen Tiefststand erreicht. Trotzdem ist die Bevölkerung zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder gewachsen. Die Zuwanderung steigt - und auch das Bildungsniveau der Zuwanderer.

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          Er verursachte ein bisschen Nervosität. Als Gunnar Heinsohn, ehemals Professor in Bremen und heute auf der ganzen Welt gefragter Fachmann für Demographie, Anfang des Monats auf einer Veranstaltung des hessischen Integrationsministers Jörg Uwe Hahn (FDP) sprach, sagte er über die Zukunft Deutschlands: „Von den 100 Kindern, die wir für die Wohlstandssicherung brauchen, werden 40 heute erst gar nicht geboren. Und von den übrigen 60 bleiben weitere 20 hinter den Bildungserwartungen zurück.“ Und das, so sagte er, obwohl Deutschland das einzige Land auf der Welt sei, dass allen Müttern die finanzielle Absicherung ihres Wunschkindes garantiere. Wenige Tage zuvor teilte das Statistische Bundesamt mit, im Jahr 2011 seien so wenige Kinder geboren worden wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.

          Aber die Bevölkerung wächst doch. Im vergangenen Jahr verzeichnete Deutschland ein Wachstum der Einwohnerzahl um 92.141Personen. Obwohl nur 663.000 Kinder in Deutschland geboren wurden aber 852.000 Personen starben, stieg die Einwohnerzahl 2011 das erste Mal in den vergangenen zehn Jahren wieder leicht, auf 81.843.743 Einwohner am 31. Dezember 2011, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch mitteilte. Der Grund für die Wachstumsrate von 0,1 Prozent ist die deutlich gestiegene Zuwanderung. Laut Bundesamt zogen im vergangenen Jahr 958.000 Personen nach Deutschland, 679.000 Personen verließen das Land (gerundete Zahlen).

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          Die Zahlen verteilen sich regional mit erheblichen Unterschieden. So gab es auch 2011 in den fünf neuen Flächen-Bundesländern einen Bevölkerungsschwund. Thüringen und Sachsen verzeichneten einen Rückgang von 14000 und 12000 Einwohnern. In Sachsen-Anhalt sank die Einwohnerzahl gar um 22000 Einwohner. Insgesamt sank die Bevölkerung Ostdeutschlands um 63.000 Einwohner (0,5 Prozent). Bevölkerungswachstum dagegen erfuhren Bayern (plus 57.000), Berlin (41.000), Baden-Württemberg (32.000) und an vierter Position Hessen mit einem Zuwachs von 25.000 Einwohnern.

          Die meisten Einwanderer kommen aus Polen und Rumänien

          Vorläufige Zahlen zu der Frage, woher die Einwanderer kommen, stellte das Statistische Bundesamt im Mai vor. Demnach sind es vor allem nahe Länder mit junger EU-Mitgliedschaft, aus denen die Menschen nach Deutschland ziehen. Etwa zwei Drittel der Einwanderer kommt aus einem der 27 Staaten der Europäischen Union. Polen führt die Liste mit 163.412 Personen deutlich an. Rumänien und Ungarn folgen mit 94.706 und 41.134 Personen. Erst auf Platz vier und fünf liegen mit Italien (30.152) und Spanien (20.672) die europäischen Südländer, in denen negative Auswirkungen der Eurokrise am häufigsten berichtet werden. Griechenland taucht unter den 18 aufgeführten Ländern jedoch nicht auf, aus Portugal kamen 8213 Personen nach Deutschland.

          Die Migration sei heute noch wenig von der Eurokrise geprägt, sagt Herbert Brücker, der im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung für die Bundesagentur für Arbeit forscht. Zu vermuten ist, dass dafür die Einkommens-Unterschiede noch einen zu geringen Hebel darstellen. Zwar sei die Arbeitslosigkeit, gerade unter den Jüngeren, in den südeuropäischen Ländern sehr hoch. Letztlich sei es aber doch nicht so einfach, aus beruflichen Gründen nach Deutschland zu ziehen. Dafür ist zum einen die Sprachbarriere oft noch zu hoch. Zum anderen gebe es in Deutschland noch einen zu unberechenbaren Umgang mit ausländischen Abschlüssen.

          Das Statistische Bundesamt erhebt zu den Demographie-Daten keine Angaben über das Bildungsniveau der Wandernden. Anhand der Daten des Mikrozensus, den das Bundesamt mit den statistischen Landesämterämtern erhebt, der jedoch nur eine Stichprobe von einem Prozent der Bevölkerung umfasst, lässt sich jedoch schließen, dass der Anteil der Zuwandernden mit einem Hochschulabschluss in den vergangenen zehn Jahren von 20 auf fast 50 Prozent gestiegen sei, sagt Brücker. Die Zahlen seien aufgrund des Sonderfalls Migration mit der kleinen Stichprobe jedoch nur mit Unschärfen zu messen.

          Bliebe es die kommenden Jahre bei einer Zuwanderung auf dem Niveau des Vorjahres, könnte die prognostizierte Schrumpfung des „Erwerbspersonenpotentials“, von dem Deutschlands Wohlstand abhängt, bis zum Jahr 2050 halbiert werden. Statt um 40 Prozent würde es dann nur um 20 Prozent sinken. Würde Deutschland nicht an seiner Attraktivität für ausländische Arbeitskräfte arbeiten, so warnte Brücker vor Arbeitgebern schon im Juni, könnte mit der konsequenten Umsetzung der Rente mit 67 gerade einmal zwei Prozent Schrumpfung aufgefangen werden.

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