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Deutsche Wörter im Hebräischen : Bienenshtish gegen den Weltshmerts

Im israelischen Café kommt man mit deutschem Vokabular in der Regel recht weit: So kann man dort oftmals eine Schwarzwälderkirschtorte bestellen, die in Israel unter dem Begriff Shwartswald firmiert. Bild: dpa

Bienenshtish, Kremshnit, Gugelhuf: Hunderte deutsche Wörter sind ins Hebräische gelangt. Der israelische Übersetzer Uriel Adiv hat sie nun in einem Wörterbuch zusammengestellt. Doch Vorsicht vor Verwechslungen.

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          Bevor es Herbst wird, lassen sich auch Israelis gerne an der Tankstelle oder in der Werkstatt das Wasser für die Shpritser nachfüllen, damit die Wisherim auch richtig funktionieren. Sicherheitshalber lassen manche auch gleich überprüfen, ob die Blinkerim richtig gehen.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          Die hebräischen Wörter klingen nicht nur Deutsch, sie kommen auch aus Deutschland. 1500 von ihnen hat der Jerusalemer Architekt, Simultandolmetscher und Übersetzer Uriel Adiv in den vergangenen Jahren gesammelt. Am Mittwoch wird er sein „Wörterbuch deutscher Lehnwörter im Hebräischen“ im Jüdischen Museum in Berlin vorstellen. Das Mannheimer Institut für Deutsche Sprache hat es digitalisiert und auf der eigenen Online-Plattform veröffentlicht - passend zum 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.

          Auch im Café kommt man mit dem deutschen Wortschatz in Israel recht weit. Nicht nur hier haben die aus Deutschland eingewanderten Jeckes ihre sprachlichen Spuren hinterlassen. So gibt es in den Cafés am Mittelmeer Bienenshtish, Kremshnit, Gugelhuf und Shwartswald - Gebäck, das hilft, den Weltshmerts zu lindern. Aufpassen muss man nur, wenn es um Strudel geht. Den gibt es in Israel nicht nur zu essen: So wird auf Hebräisch meistens das @-Zeichen in den Internetadressen genannt.

          Auch auf die nationalsozialistische Vergangenheit stößt man im Wörterbuch Adivs, dessen Mutter 1938 vor den Nazis aus Berlin nach Palästina geflohen war. „Achtung, Achtung“ - wie die Befehle in den Konzentrationslagern hießen - ist kein Fremdwort. Bei den Fallschirmspringern heißt der Turm, von dem sie die ersten Absprünge wagen, Eichmann - in Erinnerung an den Galgen, an dem der in Israel zum Tode verurteilte Organisator des Judenmordes gehenkt wurde. Und ein Muselman kann ein Muslim sein, aber auch ein fast verhungerter und abgemagerter KZ-Häftling.

          Vor acht Jahren hatte Uriel Adiv zu sammeln angefangen. Damals suchte das Goethe-Institut in einem Wettbewerb „ausgewanderte Wörter“. Dem Übersetzer fiel nicht nur ein Beispiel ein, wie es verlangt war, sondern gleich ein paar Dutzend. „Ich war Feuer und Flamme und konnte nicht mehr aufhören zu suchen. Ich habe wie besessen alle hebräischen Lexika nach deutschen Worten durchforstet.“

          Templer aus Württemberg brachten das Vokabular nach Palästina

          Am Ende fand er 1500 Lehnwörter, die ein israelischer Mitarbeiter vor der Veröffentlichung mit Quellen und weiteren Angaben versah. „Wörter wandern besonders dann, wenn noch ein Vakuum in der Sprache besteht“, sagt Adiv. So gelangten deutsche Wörter ins Neuhebräische, als es noch eine ganze junge Sprache war - sie entstand erst im 19. Jahrhundert. Die Sprache spiegelt also auch die Geschichte des Einwanderungslandes wider.

          Die pietistischen Templer aus Württemberg brachten damals Maschinen und moderne Technik nach Palästina - und dazu das entsprechende Vokabular. Auf ihren Baustellen verwendeten zunächst arabische Arbeiter die neuen Wörter, die sie dort hörten und auf ihre Weise aussprachen. Aus Platten, wie sie auf Fußböden verlegt werden, wurden in der hebräischen Umgangssprache Balata. Das Wort hat noch weitere Bedeutungen, wie man dem Wörterbuch entnehmen kann. Es kann einen Tollpatsch beschreiben oder als unfreundliche Bezeichnung einer Frau mit einer flachen Brust dienen.

          Auf Baustellen und im israelischen Baumarkt sind bis heute Begriffe wie Shpachtel, Podest, Dibel oder Kratsputs im Gebrauch. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts war zunächst noch nicht ausgemacht, welche Sprache sich in Wissenschaft und Technik durchsetzen würde. Am Technion in Haifa, der ersten technischen Universität in Palästina, brach zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts ein Sprachenstreit zwischen den Befürwortern von Deutsch und Neuhebräisch aus, der jahrelang andauerte. Wenig später kam dann mit den ersten Autos weiterer Nachschub an deutschen Wörtern nach Palästina. Einem Wort wie Zwishengas ist noch anzumerken, aus welcher Zeit es stammt.

          Der Kern des deutschen Wortschatzes ist etwas kleiner als die 1500 Wörter in dem Online-Verzeichnis, das auch Lehnwörter aus dem Jiddischen und Lateinischen enthält, dazu noch deutsche Markennamen. „Jiddisch ist die beidseitige Membran, durch die auch viele hebräische Worte ins Deutsche gekommen sind“, sagt Uriel Adiv. Oft stammen sie aus dem Althebräischen und kamen über das Jiddische in die deutsche Sprache. Meschugge, Mischmasch oder „Tacheles reden“ sind nur einige Beispiele dafür, wie nahe sich Deutsche und Israelis stehen. Uriel Adiv würde gerne weitermachen und auch die hebräischen Wörter sammeln, die in den jahrhundertelangen Beziehungen von Juden und Deutschen in die deutsche Sprache eingewandert sind.

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