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Hilfsprojekt für die Ukraine : Ein Galerist aus Bochum sammelt Spenden für Betroffene des Krieges

  • -Aktualisiert am

Er will Leben retten: Galerist Roman Zheleznyak aus Bochum Bild: Patrick Junker

Der Bochumer Kurator und Galerist Roman ­Zheleznyak stammt selbst aus der Ukraine. Nun sammelt er Spenden und versucht, mit knapp 20 Mitstreitern seinen Landsleuten zur Seite zu stehen.

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          Es ist nicht das große Geld, das an der ­Castroper Straße, vor den Toren des Ruhrstadions, zusammenkommt, wenn dort der VfL Bochum spielt. Aber auch die kleinen Beträge summieren sich. Unlängst waren 1880 Euro im Sammelbecher. Aus der Fanszene des Fußballvereins ist die frisch gegründete Initiative „Ukraine Support Bochum“ hervorgegangen, auch das einprägsame Logo mit den Händen, die in­einander­greifen, und dem Förderturm, Symbol des Deutschen Bergbaumuseums, stammt von Anhängern, die mit Vereinen aus anderen Ländern vernetzt sind, so auch mit dem Club Schachtjor Donezk in der Partnerstadt Bochums.

          Den Draht ins Kriegsgebiet, die „Standleitung“, wie er sie nennt, hält Roman ­Zheleznyak, Betreiber des Kunstraums „mental space“ in Bochum. Der Kurator und Galerist, der an der Düsseldorfer Kunst­akademie studiert hat, kennt die Fans von Graffitiaktivitäten in der Stadt, sein Ausstellungsprogramm nennt er „zeitgenössisch und mutig“, weil es sich eher schwierig verkaufen lässt. In den vergangenen Tagen und bis auf Weiteres hat sich der gebürtige Ukrainer des Jahrgangs 1985 oh­nehin anderen Aufgaben verschrieben.

          Von Bochum aus will der Vater von zwei Kindern gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Philologin Tetiana Zheleznyak, und weiteren knapp 20 Mitstreitern seinen Landsleuten, so gut es eben geht, zur Seite stehen. Als Erstes habe man ein Konto angelegt, auf dem nach wenigen Tagen mehrere Tausend Euro eingegangen sind. Es seien nur kleine Beträge bis 50 Euro pro Person, „notfalls mehrfach“. Zheleznyak macht keinen Hehl aus einer gewissen Skepsis gegenüber Empfängern von Geldspenden in seiner Heimat, die er nicht selbst kenne. Aus diesem Grund helfe man auch vor allem Künstlern und Architekten aus Kiew und anderen Städten, denen man, aus eigener Erfahrung, vertrauen könne – weil man ganz einfach sicher gehen wolle, wo die Spenden tatsächlich landeten.

          „Ukraine Support Bochum“ sucht kugelsichere Westen

          Zu seinen vordringlichen Tätigkeiten zählt Zheleznyak Bedarfslisten für Güter, die es ständig zu aktualisieren gelte: für mögliche Unterkünfte von Geflüchteten in Bochum etwa, wo er seit 1999 lebt. Davor war er mit seinen Eltern über das Auffanglager Unna-Massen ins Ruhrgebiet gelangt. Es gebe schon viele Portale für Wohnraum im Internet, er aber wolle es möglichst von persönlichen Bekannten, Studenten, Wohngemeinschaften anbieten: „Wenn ei­ne Mutter mit dreijährigem Kind kommt, dann schaue ich in meine Liste und kann sie in eine Familie mit Kind vermitteln.“ So könne man Menschen konkret helfen, nach der Flucht „erst mal durchzuatmen“.

          Auf den Listen stehen aber auch Dinge, die „tatsächlich Leben retten“ könnten: Funkgeräte, SD-Karten und Laptops, Drohnen, Militärstiefel, Mullbinden und Verbandskästen aus dem Auto, die hierzulande ohnehin alle zwei Jahre gegen neue ausgetauscht werden müssten. Auch um kugelsichere Schutzwesten bemüht sich „Ukraine Support Bochum“, sie kosten neu bis zu 600 Euro: „Das sammeln nämlich nur wenige Organisationen“, sagt Zheleznyak, „und das ist genau das, was fehlt.“ Der Krieg könne noch lange dauern. Für den Transport bekomme er die Telefonnummer eines Mittelsmanns in Polen, dem er die Güter schicken könne: „Ihm muss ich einen Code bestätigen und sagen, wer mir die Nummer gegeben hat. Dann wird dafür gesorgt, dass die Dinge von der polnischen Grenze abgeholt werden und an die Menschen gelangen, für die sie bestimmt sind.“

          Wäre nicht eine Kapitulation die am ehesten lebensrettende Maßnahme? „Ja, aber das entspricht überhaupt nicht dem Volksgeist, wenn man dieses Wort überhaupt noch gebrauchen darf, es passt nicht zu unserer Mentalität und wird auch nicht passieren, selbst dann nicht, wenn Selenskij das so entscheiden würde“. Partisanen gebe es jetzt schon in großer Zahl, „und es wird keine Ruhe geben“. So sei die Ukraine. „Wir wollen unsere Souveränität wiederherstellen. Teile der Ukraine waren im­mer besetzt, Schriftsteller durften nicht in ihrer Sprache publizieren“, schon vor der Sowjetregierung sei dies so gewesen.

          Der Mann mit dem charmanten Akzent nennt Russisch und Ukrainisch „meine Muttersprachen“. Mit seinen Eltern spreche er noch immer Russisch; Ukrainisch sei lange nur auf dem Land gesprochen worden. Er könne nur beklagen, dass die rus­sischen Fernsehsender Sputnik und RT hierzulande erst so spät verboten worden seien. Die Propaganda hätten viele Menschen konsumiert und sich damit „diesem Brainwash unterzogen“. Von den Bekundungen spontaner Hilfe ist der Bochumer Galerist beeindruckt. Ihm sei gar nicht bewusst ge­wesen, „dass so viele Menschen in Deutschland zu meiner Heimat halten und sich sofort gemeldet haben“. Selbst Ausstellungsräume in der Region hätten sich bereiterklärt, laufende Ausstellungen abzubrechen, um Familien eine Bleibe zu ge­währen, „das ist unglaublich“.

          Er verfüge über „keinerlei NGO-Erfahrung“, sagt er. An Ideen mangelt es aber nicht. In einem Bochumer Lokal kocht er mit seiner Frau ukrainische Gerichte. Bei all dem müsse er täglich meditieren, „um mich nicht aufzulösen in dieser Situation“. Er sehe Bilder von zwanzigjährigen ­Ska­tern, die Molotowcocktails zubereiten. „Die kann ich nicht alleinlassen.“

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