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Heftige Gewitter im Westen : Neue Unwetter ziehen heran

  • -Aktualisiert am

Schaurig schön: Eine Gewitterwolke über dem Ort Sörmeke in Nordrhein-Westfalen Bild: dpa

Nach dem Orkan kommt das Aufräumen: Statt des üblichen Verkehrslärms sind in Düsseldorf am Dienstag überall Motorsägen zu hören. Derweil kündigen sich schon die nächsten Unwetter an.

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          Nordrhein-Westfalen räumt noch auf, da kündigen sich schon die nächsten Unwetter an. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach meldet für Dienstag abermals heftige Gewitter: „Dabei kann es schweren Hagelschlag, heftigen Starkregen und orkanartige Böen oder Orkanböen geben.“ Gefahr besteht nahezu in ganz Deutschland, ausgenommen seien „höchstens“ der Südosten und der äußerste Nordwesten – hier seien die Gewitter seltener und schwächer, aber nicht ausgeschlossen. Am Mittwoch werde es dann im Südosten, am Donnerstag im Süden Gewitter geben, die sich lokal zu Unwettern entwickeln könnten, sagte Meteorologe Thomas Ruppert vom DWD gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

          Vom Sturm erfasst: die Überreste eines Flachdachs Bilderstrecke
          Vom Sturm erfasst: die Überreste eines Flachdachs :
          Reiner Burger
          Politischer Korrespondent in Nordrhein-Westfalen.

          Nordrhein-Westfalen hat am Montagabend nach Einschätzung von Wetterexperten eines der stärksten Unwetter seit Jahren erlebt, heftige Gewitter und Orkanböen führten zu dramatischen Szenen, so etwa im Düsseldorfer Stadtteil Reisholz: Ein Gartenhäuschen in einem Hinterhof schien neun Männern und Frauen ein sicherer Schutzraum vor der heranrollenden Unwetterfront zu sein. Doch dann stürzte eine Pappel mitten auf die kleine Hütte. Die Einsatzkräfte konnten zwei 56 und 53 Jahre alte Männer und eine 52 Jahre alte Frau nur noch tot bergen. Die anderen sechs Personen im Alter zwischen 19 und 47 Jahren mussten unter schwierigen Bedingungen ins Krankenhaus gebracht werden – die Straßen waren überall in Düsseldorf von herabgefallen Ästen blockiert.

          Nach bisherigen Erkenntnissen der Behörden kamen bei dem Unwetter insgesamt sechs Personen ums Leben. In Köln wurde ein Radfahrer von einer Buche erschlagen, die vom Blitz getroffen und zerborsten war. Auch in Krefeld wurde ein Radfahrer von einem umstürzenden Baum erschlagen. In Essen starb ein Mann bei Aufräumarbeiten im Stadtteil Kray. Nach Angaben der Feuerwehr war der Mann unvermittelt zusammengebrochen.

          In ganz Nordrhein-Westfalen sind auch am Dienstag noch tausende Feuerwehrmänner im Einsatz, um Äste und umgekippte Bäume von Straßen und Gleisen zu räumen. Allein in Essen gingen bei der Feuerwehr 1100 Meldungen ein. „Davon sind 900 noch nicht abgearbeitet“, sagte ein Sprecher.

          Wie hoch der in Nordrhein-Westfalen entstanden Sachschaden ist, lässt sich noch nicht abschätzen. „Wir müssen damit rechnen, dass der Schaden insgesamt auf einen zweistelligen Millionenbetrag hinausläuft“, sagte Innenminister Ralf Jäger am Dienstag in Düsseldorf. Genauere Schätzungen seien wohl erst in einigen Tagen möglich. „Das war eines der schwersten Unwetter der letzten 20 Jahre in NRW“, sagte Jäger.

          Gerade in der besonders betroffenen Landeshauptstadt Düsseldorf konnten man sich am Dienstag schon bei einem kleinen Rundweg zu Fuß einen Eindruck vom enormen Ausmaß der Verwüstungen machen. Mehrere wichtige Verkehrsachsen waren von umgestürzten Bäumen blockiert. Überall hatten Bäume Autos unter sich begraben. Eine Schneise der Verwüstung schlug der Orkan auch quer durch den Hofgarten im Stadtzentrum. Statt des üblichen Verkehrslärms waren in Düsseldorf am Dienstag überall Motorsägen zu hören. Als ein ernste Gefahr stellten sich die historischen Gaslaternen in einigen Düsseldorfer Stadtteilen heraus. Mitarbeiter der Stadtwerke waren fieberhaft damit beschäftigt, Lecks an umgeknickten Gaslaternen abzudichten.

          Auf das Unwetter folgte am Dienstagmorgen ein Verkehrschaos in Nordrhein-Westfalen. Der öffentliche Nahverkehr war vielerorts eingestellt. In Düsseldorf fuhren die Straßen- und U-Bahnen erst nach und nach wieder. Einsatzkräfte des Betreiberunternehmens Rheinbahn mussten vielerorts heruntergerissene Oberleitungen reparieren. Die Düsseldorfer Polizei riet zunächst ausdrücklich auch von Fahrten mit dem Auto in die Landeshauptstadt ab. „Wer kann, sollte zu Hause bleiben“, hieß es. Auf Straßen Nordrhein-Westfalens bildeten sich Staus, die teilweise 30 Kilometer und länger waren – Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel musste wegen des Verkehrschaos‘ im Ruhrgebiet einen Redeauftritt in Essen absagen.

          Auch der Fernbahnverkehr war am Dienstag stark eingeschränkt. Ein Sprecher der Bahn sagte, nach wie vor seien zahlreiche Strecken wegen umgestürzter Bäume und zerstörter Oberleitungen nicht befahrbar. „Die Bahn hat schwere Technik und zusätzlich Kräfte im Einsatz, um die Strecken wieder frei zu bekommen.“ Komplett gesperrt blieben die auch für den Fernverkehr wichtigen Strecken Dortmund-Essen-Düsseldorf-Köln und Dortmund-Gelsenkirchen-Duisburg. ICE- und IC-Züge müssen umgeleitet werden oder enden in Hamm. Züge der IC-Linie 31 zwischen Hamburg und Nürnberg verkehren nur zwischen Hamburg und Osnabrück und zwischen Köln und Nürnberg. Züge der ICE-Linie zwischen München/Basel und Dortmund enden in Köln (zur Störungsseite der Bahn).

          Das Unwetter war am Montag über Belgien und die Niederlande mit Blitz, Donner, sintflutartigen Regenfällen, Hagel und Orkanböen nach Nordrhein-Westfalen hereingezogen. Wo sich die Sturmfront näherte, wurde es binnen weniger Minuten stockfinster. In Köln musste das von 50.000 Personen besuchte Abschlusskonzert des dreitätigen Birlikte-Gedenkfestivals zum zehnten Jahrestag des Nagelbombenanschlags kurz nach 20 Uhr in aller Eile abgebrochen werden. Am Düsseldorfer Flughafen, wo Windgeschwindigkeiten von beinahe 145 Kilometer pro Stunde gemessen wurden, musste der Flugbetrieb für rund ein Stunde eingestellt werden.

          Nach Angaben des Deutschen Wetterdiensts (DWD) in Offenbach hat das Zusammentreffen von heißer Luft aus dem Süden und zehn Grad kühlerer Luft aus dem Norden zu dem schweren Unwetter in Nordrhein-Westfalen geführt. Die Natur habe immer das Bestreben, solche Gegensätze auszugleichen, „und dann knallt es“, sagte Meteorologe Thomas Ruppert der Deutschen Presse-Agentur.

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