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Netflix-Doku : Wie Meghan und Harry ihr Image zerstören

Harry und Meghan Bild: dpa

Harry und Meghan verzichten in den ersten Folgen ihrer Netflix-Doku auf Attacken gegen das Königshaus. Dafür beschädigen sie sich selbst.

          3 Min.

          Irgendwann mitten in der ersten Folge von „Harry & Meghan“, als schon reichlich Tränen geflossen waren, kommt eine Szene, in der Meghan mit ihrem Söhnchen im Arm vor einem Foto von Prinzessin Diana steht und ihm zuflüstert: „Wer ist das? Grandma! Hi, Grandma!“ Es ist ein schwer erträglicher Moment, da er so intim ist, dass man sich wünschen würde, die Eltern hätten ihn für sich behalten. Und gleichzeitig ahnt man, dass er einer der vielen Bausteine ist, die es braucht, um die Zuschauer sechs Folgen lang bei der Stange zu halten.

          Anke Schipp
          Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Als Prinz Harry und Herzogin Meghan vor gut zwei Jahren ihre Produktionsfirma Archewell gründeten, kündigten sie an, Inhalte zu schaffen, „die informieren, aber auch Hoffnung geben“. Der Inhalt ihrer ersten Netflix-Doku, in der sie als Ko-Produzenten auftreten, ist weitgehend das, was Harry und Meghan schon in ihrem Interview mit Talkerin Oprah Winfrey erzählt haben: die Geschichte eines jungen Paares, das von den Medien und der Monarchie zerstört zu werden droht, sich am Ende befreit und an einem fernen Ort sein Happy End erlebt, den Teil also, der für Hoffnung steht.

          Overkill einer Liebesgeschichte

          Das, was in den bisher veröffentlichten ersten drei Folgen von „Harry & Me­ghan“ zu sehen ist, kommt dem Drehbuch eines Hollywoodfilms gleich. Selbstgedrehte Videos, Privatfotos, Whatsapp-Nachrichten und Interviewsequenzen, stets mit Klaviermusik untermalt, leuchten den Beginn von Harrys und Meghans Beziehung, die ersten Monate im Palast und die Vorbereitungen der Hochzeit bis in die kleinsten Winkel aus. Wir sehen ein glückliches Paar, das seine Liebe in immer neuen Variationen zur Schau stellt, auf dem Sofa, dem Küchenblock, im Garten, am Strand und im Fotoautomaten.

          Diese Fotos sind nicht zufällig entstanden: Harry und Meghan
          Diese Fotos sind nicht zufällig entstanden: Harry und Meghan : Bild: Netflix

          Zum emotionalen Overkill wird die Doku, wenn Meghan sich verzweifelt und tränenüberströmt präsentiert. Dabei perpetuiert sie ihre Opferrolle, die sie offenbar nicht erst seit der Begegnung mit Harry einnimmt: ihr Dasein als Scheidungskind, das Gedichte über seine Einsamkeit schreibt. Später sind es entwürdigende Castings, und, als sie schon in London lebt, ihr Vater und die Halbschwester, die ihr das Leben schwer machen. Ziemlich viele Probleme für eine Frau, die, wie ihre Freundinnen, ihre Mutter, ihr Agent, ihr Ehemann und ihre Ko-Darsteller aus „Suits“ mehrfach beteuern, so schön, klug, empathisch und verantwortungsvoll ist, dass man sich zwangsläufig fragen muss, wie die Royals es nur so vergeigen und dieses Juwel ziehen lassen konnten.

          Das ist am Ende aber auch das Problem der Serie. Die Selbstverliebtheit der Protagonisten, die ausufernde Darstellung ihrer Liebesgeschichte, die von jetzt an nicht mehr ihnen allein, sondern der ganzen Welt gehört, und nicht zuletzt jene Szenen, in denen sie ihre Kinder, wenn auch nie komplett sichtbar, zeigen, führen beim Zuschauer zu einem anhaltend schlechten Bauchgefühl, das auch jene Teile der Doku überschattet, die durchaus interessant sind. Dazu gehören die Schilderungen des Treibens der britischen Boulevardpresse und die der nur unzureichend aufgearbeiteten kolonialen Vergangenheit Großbritanniens, in welche auch die Monarchie als Statthalter des Commonwealth verstrickt ist. Es gibt starke Momente, in denen Harry erzählt, wie auch er einem unbewussten Rassismus gefolgt sei und wie er gelernt habe, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. Und Meghan davon, wie ihre schwarze Mutter im Supermarkt für die Nanny gehalten wird, weil die Haut der Tochter hell ist.

          Diese Details reichen aber nicht, um den Gesamteindruck wesentlich zu ändern. Am Ende gibt es den einen großen Widerspruch in der Dokumentation: Warum teilen die beiden so viele private Momente, während sie permanent darüber klagen, kein Privatleben mehr gehabt zu haben? Und wie will Harry den mehrfach vorgetragenen Willen, seine Familie zu beschützen, durchhalten, wenn er sie so ungefiltert der Öffentlichkeit präsentiert?

          Die steten Klagen dieses in jeder Hinsicht privilegierten Paares darüber, berühmt zu sein, könnten zudem viele andere Menschen auch erheben, ob sie Barack und Michelle Obama, Amal und George Clooney oder Prinz William und Prinzessin Kate heißen. Sie alle aber haben einen Weg gefunden, ihr Privatleben zu schützen und ein weitgehend normales Leben abseits des Rampenlichts zu führen. Das hätten Harry und Meghan auch tun können – wenn sie nicht ebendieses bräuchten, um ihr Geschäftsmodell zu sichern. Das vor allem ist ihre Tragik.

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