Greenpeace-Studie : „Kleidung ist so viel wert wie Wegwerfgeschirr“
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Es muss nicht immer Fast Fashion sein: In einem Secondhand-Shop sucht eine junge Frau nach neuen Kleidern. Bild: Helmut Fricke
Eine Milliarde Kleidungsstücke schlummern in deutschen Schränken, ohne dass sie jemals angezogen werden. Das zeigt eine neue Umfrage von Greenpeace. Und wenn wir etwas tragen, dann nur für kurze Zeit.
Wann waren Sie das letzte Mal beim Schuster? Sie können sich nicht erinnern? – damit sind Sie, laut einer aktuellen Greenpeace-Umfage, nicht allein. Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, noch nie ein paar Schuhe zum Flicken zum Schuster gebracht zu haben. Und ein ähnliches Bild ergab sich beim Blick auf die Kleidung: Nur jeder Siebte hat demnach in der jüngeren Vergangenheit Kleidung reparieren lassen, und etwa die Hälfte der Befragten sagte, das noch nie getan zu haben.
„Das ist die brutale Konsequenz, wenn man Kleidung nicht mehr schätzt als Plastikgabeln oder Wegwerfgeschirr“, sagt Kirsten Brodde zu FAZ.NET. Sie ist bei Greenpeace seit vier Jahren für die Detox-Kampagne für schadstofffreie Kleidung verantwortlich ist und hat die Studie betreut. „Es ist ein Verhalten, dass den Käufern von den Bekleidungsfirmen über Jahre antrainiert wurde, sonst hätte sich der Fast-Fashion-Trend nicht so stark durchsetzen können“, sagt sie.
Dies zeigt sich auch in den Studienergebnissen, für die vom Hamburger Institut Nuggets mehr als 1000 Personen zwischen 18 und 69 Jahren befragt wurden: „Zwei von drei Befragten trennen sich von heilen Kleidungsstücken, weil sie sie nicht mehr mögen, 40 Prozent wenn sie nicht mehr der Mode oder dem eigenen Stil entsprechen“, heißt es darin. Als weiteren Grund gaben mehr als 30 Prozent an, dass sie die Sachen wegwerfen, um im Schrank Platz für neue Kleidungsstücke zu schaffen. Gleichzeitig kaufen die Deutschen umso mehr: Laut der Studie lagern in deutschen Schränken 5,2 Milliarden Kleidungsstücke – knapp 40 Prozent davon, also rund zwei Milliarden, werden jedoch selten oder nie getragen.
3500 giftige Chemikalien
Auswirkungen hat dieses Konsumverhalten laut Greenpeace besonders in den asiatischen Produktionsländern, wo die Textilindustrie nicht nur einer der großen Wasserverbraucher, sondern auch einer der großen Wasserverschmutzer sei. „Rund 7000 Liter Wasser verbraucht die Produktion einer einzigen Jeans“, heißt es in der Studie. Viele Schadstoffe, die bei der Stoffproduktion und beim Färben anfielen, landeten in den Flüssen. Greenpeace spricht von „3500 krebserregenden, hormonell wirksamen oder anderweitig giftigen Chemikalien“, die in der Textilindustrie eingesetzt werden.
Nicht nur die ökologischen Bedingungen der Textilherstellung sind Ziel von Kritik. Menschenrechtsorganisationen klagen auch immer wieder die Arbeitsbedingungen in Ländern wie Bangladesch oder Kambodscha an. Erst im März dieses Jahres veröffentlichte die Organisation „Human Rights Watch“ einen Bericht, wonach die Regierung in Kambodscha keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz der Textilarbeiter ergriffen habe. Ein Jahr zuvor war es bei Demonstrationen von Textilarbeitern in Kambodscha zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Drei Arbeiter starben, als die Polizeikräfte das Feuer eröffneten.
Neben den Textilfirmen sieht Brodde auch den Konsumenten in der Pflicht, etwas zu ändern. Sie fordert die Verbraucher auf, ihr Kaufverhalten zu überdenken: „Kauf lieber ein Stück weniger und gib dafür etwas mehr Geld für Kleidung aus ökologischer Herstellung aus“, fordert sie. „Und sorge dafür, dass es auch hält, also nähe lieber einen Knopf an, statt das Stück wegzuwerfen.“