„Tabakatlas“ : Abstinent trotz Werbung
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Der Deutschen liebstes Gift: Zigaretten sind noch immer beliebt. Bild: dpa
Außenwerbung für Tabak sieht man in der EU nur noch in Bulgarien und Deutschland. Die Zahl der Raucher geht hierzulande dennoch zurück. Das liegt vor allem an der Jugend.
Die Zeiten, da der „Marlboro Man“ über die Seiten einer Illustrierten galoppiert oder zur besten Familienausflugszeit im Kino mit einer Kippe im Mund Freiheit und Männlichkeit verspricht, dabei aber die Aussicht auf schlechten Atem, gelbe Zähne und Lungenkrebs verschweigt, sind auch in Deutschland lange vorbei. Seit dem Jahr 2002 darf hierzulande in Kinos erst von 18 Uhr an Tabakwerbung laufen, und seit 2007 ist es der Tabakindustrie verboten, in Zeitungen und Zeitschriften für ihre Produkte zu werben. Dass aber auf Litfasssäulen und auf Plakaten groß wie Hauswände betont lässige Raucher im Cabrio in die Abendsonne fahren und die Botschaft verbreiten, ohne Kippen wäre das hier alles nur halb so lässig – das gibt es innerhalb der Europäischen Union nur in Bulgarien und in Deutschland.
Die Drogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) hat immer wieder darauf hingewiesen, dass ihr die Tabakaußenwerbung ein Dorn im Auge ist, auch am Dienstag wieder, als sie in Berlin gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum den „Tabakatlas 2015“ vorstellte. Das Buch – nach der Premiere im Jahr 2009 die zweite Ausgabe – ist ein Sammelband des Wissens über Tabak und Rauchen. Die Geschichte des Tabaks wird in dem Buch mit gut 130 Seiten ebenso abgehandelt (Christoph Kolumbus brachte die Pflanze nach Europa) wie die Kosten des Rauchens für die Gesellschaft (80 Milliarden Euro im Jahr allein in Deutschland). Ein besondere Fokus liegt auf der Entwicklung des Konsums.
Rückgang jugendlicher Raucher
Wie der „Tabakatlas“ unter Berufung auf die Daten des Mikrozensus 2013 darlegt, geht die Zahl der Raucher weiter zurück. Rauchten zu Beginn der neunziger Jahre noch 37 Prozent aller Deutschen über 14 Jahre, waren es bei der Erhebung für den ersten „Tabakatlas“ nur noch 30,5 Prozent. Bis 2013 sank der Anteil dann weiter auf 29 Prozent.
Zurückzuführen ist diese Entwicklung vor allem auf den Rückgang jugendlicher Raucher. Ende der neunziger Jahre rauchten knapp 30 Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren, aktuell sind es nur etwa zehn Prozent. Marlene Mortler sieht darin einen Hinweis, dass die Politik weiter auf Prävention setzen müsse, um den Konsum einzuschränken, den sie für „das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Zeit“ hält.
In Sachen Prävention liegt Deutschland im Europa-Vergleich laut „Tabakatlas“ allerdings auf dem vorletzten Platz. Die Autoren fordern deshalb eine deutliche Anhebung der Tabaksteuer und ein komplettes Werbeverbot für Tabak – zumindest letzteres werde, so Mortler, bald vom Kabinett beschlossen.
Der Anteil der Raucher ist in Deutschland keineswegs überall gleich hoch, wie der Atlas anschaulich zeigt. Grob gesagt wird im Norden mehr geraucht als im Süden. Den höchsten Anteil an Rauchern haben Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, wo mehr als 34 Prozent der Männer und gut 23 Prozent der Frauen zur Zigarette greifen. Die niedrigsten Werte finden sich in Bayern und Baden-Württemberg sowie bei den Frauen in Sachsen.
Im Fernen Osten wird noch mehr geraucht
Auch bei Todesfällen, die durch das Rauchen bedingt sind, gibt es deutliche Unterschiede. Während in Bremen und Berlin knapp 23 Prozent aller Todesfälle auf das Rauchen zurückzuführen sind, liegt der Anteil in Bayern und Baden-Württemberg bei etwa 17,5 Prozent. Deutschlandweit sterben nach den Berechnungen jährlich etwa 121.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Der deutliche Anstieg im Vergleich zum Jahr 2009 (107.000 Tote) ist damit zu erklären, dass das Rauchen nicht mehr nur für Lungenkrebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten verantwortlich gemacht wird, sondern mittlerweile auch für tödliche Fälle von Darmkrebs oder Typ-2-Diabetes.
Das recht düstere Bild, das der „Tabakatlas“ von den deutschen Rauchgewohnheiten zeichnet, relativiert sich indes ein wenig, wenn man einen Blick auf das vergleichbare Werk wirft, das die Weltgesundheitsorganisation für alle Länder der Welt herausgibt. Vor allem im Fernen Osten finden sich Länder, die auf den entsprechenden Karten so teerschwarz eingefärbt sind, wie man sich die Lungen seiner Bewohner vorstellen darf.