Schwere Verbrennungen : Zurück im Leben
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An der Gasflamme kommt es schnell zu Verbrennungen. Bild: dpa
Schwere Brandwunden: Früher waren sie oft ein Todesurteil. Heute können sie besser denn je behandelt werden.
Wie rettet man einem Menschen das Leben, der an 95 Prozent der Körperfläche verbrannt ist? Maurice Mimoun weiß es. Der französische Chirurg, der am Pariser Hôpital Saint-Louis die Abteilung für Plastische Chirurgie und das dazugehörige Verbrennungszentrum leitet, vollbrachte vor mehr als einem Jahr mit seinem Team das Wunder, an das die Ärzte anfangs selbst nicht so recht geglaubt hatten. Als Franck, ein junger Franzose, im September 2016 nach einem schweren Arbeitsunfall in seine Klinik gebracht wurde und Mimoun die Verbrennungen sah, war er pessimistisch und betrübt zugleich. „Verbrennungen von solchem Ausmaß bedeuten in der Regel, dass der Patient nicht überlebt“, sagt Mimoun. Doch Franck entsprach nicht der Regel. Er hatte Glück im Unglück.
Als sich Maurice Mimoun am Tag nach der Aufnahme des Patienten mit dessen Familie traf, war auch Francks Bruder Eric dabei. Mimoun konnte zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen, dass Eric und Franck eineiige Zwillinge waren, weil sein Patient durch seine Verbrennungen fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt war. Als sich aber nach und nach herausstellte, in welchem Verhältnis die beiden zueinander standen, begann sich das Blatt für Mimoun zu wenden: „Diese Information war wie ein Sonnenstrahl an einem verregneten Tag“, sagt der Arzt. Mimoun wusste nun, dass es möglich war, Francks Leben mit Hilfe einer Hauttransplantation zu retten.
Normalerweise lässt sich nur eigene Haut von einer Körperstelle an eine andere verpflanzen. Die Haut eines fremden Spenders würde vom Immunsystem des Körpers abgestoßen. Selbst Eltern, Kinder oder Geschwister kommen als Spender von Haut nicht in Frage. Eineiige Zwillinge dagegen verfügen über identisches Erbgut, so dass es in dem Fall nicht zu einer Abwehrreaktion kommt.
Neues medizinisches Verfahren : Die rettende Haut des Zwillingsbruders
Operationen mit Sterberisiko
Dennoch standen der Ganzkörper-Hauttransplantation am Anfang noch Hindernisse im Weg, die es zu überwinden galt. Eines davon betraf Francks Bruder Eric: „Wir mussten ihm erklären, was auch auf ihn zukommen würde“, sagt Mimoun. Bei einer Nierenspende bleibe eine einzige kleine Narbe zurück. „Hier war es aber nötig, große Mengen von Haut zu entnehmen, was mit Sicherheit viele Narben auf Erics Körper zurücklassen würde.“ Außerdem musste der Arzt Eric klarmachen, dass mehrere Operationen nötig sein würden. Und selbst dann nicht automatisch sicher sei, dass Franck überleben würde. Doch Eric, der seinem Bruder unbedingt helfen wollte, zeigte sich unbeeindruckt und stimmte den Eingriffen zu.
Die erste Hautübertragung erfolgte sieben Tage nach Francks Unfall, die anderen beiden in den darauffolgenden anderthalb Monaten. Zunächst wurden Eric dünne Schichten der Kopfhaut entnommen - wo der Heilungsprozess schnell verläuft und keine Narben zurückbleiben. „Auch der Haarwuchs wurde durch den Eingriff nicht beeinträchtigt“, sagt Mimoun. Die restliche Haut lieferten Erics Rücken und Oberschenkel. „Weil diese Körperregionen weniger sozial auffällig sind“, erklärt der Chirurg. Insgesamt spendete Eric während der drei Operationen 45 Prozent seiner eigenen Haut, die mit Hilfe einer speziellen Technik als „Meshgraft“ verwendet wurde. Bei diesem Vorgang werden kleine Löcher nach rautenförmigem Muster in das Transplantat geschnitten. Dieses kann dadurch gedehnt und wie ein Netz auf die verwundete Stelle gelegt werden. 45 Prozent der Spenderhaut von Eric reichten so, um die betroffenen 95 Prozent auf Francks Körper zu bedecken. Mehr als ein Jahr nach den Operationen zieht Maurice Mimoun ein positives Fazit. „Franck befindet sich noch in der Rehabilitationsphase, aber wenigstens ist sein Leben gerettet.“