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Schulbeginn : Ein Königreich für eine Stunde mehr

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Wer später zur Schule geht, schläft länger - und ist dünner

Wer später zur Schule geht, schläft länger - und ist dünner Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Wenn die Schule später anfängt, schlafen die Kinder länger. Das hilft dem Familienfrieden und steigert die schulischen Leistungen. Wahrscheinlich könnte länger Schlafen sogar das sogenannte Dicke-Kinder-Problem lösen.

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          Selten hat ein kleiner Artikel, nur 21 Zeilen in einem Nachrichtenmagazin, so viel Aufsehen erregt wie jener am vergangenen Montag im Spiegel. Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, will Schüler im Ländle eine halbe oder ganze Stunde später zur Schule schicken, hieß es da.

          Nie zuvor werden Kinder in Deutschland ihren Landesvater je spontan so geliebt haben. Der Ditzinger begründet seinen Vorstoß vor allem damit, daß Schüler dann eher die Chance auf ein Frühstück mit der Familie hätten. Das soll den Zusammenhalt der Keimzelle der Gesellschaft stärken.

          Oettinger bekam reichlich Beifall, nicht nur von müden Noch-nicht-Wählern, sondern eigentlich von jedem, der sich noch erinnern kann, wie es ist, Kind zu sein und zu gefühlter Mitternachtsstunde rauszumüssen. Kritik kam von jenen, die einen späteren Schulbeginn für nicht organisierbar und finanzierbar halten, und von Lehrerorganisationen, die um die Nachmittagsfreizeit der Kinder - und wohl auch ihre eigene - fürchten.

          Schlafen um halb neun

          Nun kann man hin und her diskutieren, beispielsweise wie dieser Tage wieder über die Kosten der Kinderbetreuung in Deutschland generell, über Ganztagsschulen, an denen ein späterer Schulbeginn kaum ein Problem wäre, und darüber, wer sich denn um die Kinder, die wegen der Arbeitszeiten ihrer Eltern trotzdem früh rausmüssen, kümmern soll. Man kann aber auch fragen, was denn neben einem hypothetischen gemeinsamen Frühstück mit Papa und Mama an Vorteilen eines späteren Schulbeginns wirklich bekannt und belegt ist.

          Für Jürgen Zulley, der durch ein erfolgreiches Sachbuch im vergangenen Jahr zu Deutschlands bekanntestem Schlafforscher avancierte, kommt das Mitternachtsgefühl am Morgen jedenfalls nicht von ungefähr. Kinder seien, durch ihren Biorhythmus bedingt, morgens um acht ungefähr so leistungsfähig wie nachts um zwölf, sagte der Professor vom Regensburger Schlaflabor all den Journalisten, die ihn zu Oettingers Vorstoß befragten.

          Wer auch noch das Pech eines langen Schulwegs hat, muß nicht selten schon deutlich vor sechs aus den Federn, um dann pünktlich für die ersten Stunden wieder in einen Dämmerzustand zu verfallen. Das häufig vorgebrachte Gegenargument, daß die Kleinen dann eben früher ins Bett müssen, läßt sich kaum durchsetzen. Denn wo um halb sechs der Wecker klingelt, sollten die Kinder bei einer empfohlenen Schlafdauer von neun Stunden um halb neun nicht nur im Bett, sondern bereits eingeschlafen sein.

          Verschiebung der biologischen Rhythmuskurve

          Das ist nicht sehr realistisch - ganz zu schweigen von dem Prestigeverlust etwa für einen Elfjährigen, der täglich nach der Tagesschau im Bett liegen muß. Er wird Mittel und Wege finden, seine Eltern von seinem geringeren Schlafbedürfnis zu überzeugen. Vor allem aber läßt sich die innere Uhr nicht beliebig umstellen. Tageslicht, Mahlzeiten und andere soziale Interaktionen takten sie.

          Der Ruf aus den Reihen der Wissenschaftler nach einem späteren Unterrichtsbeginn ist auch nicht ganz neu. Zulley warnt seit Jahren vor der Acht-Uhr-Schulklingel. Ähnlich der Münchener Chronobiologe Till Roenneberg, der etwa gegenüber der Deutschen Presse-Agentur schon Anfang 2002 vor „schwerwiegenden Folgen“ des frühen Schulbeginns warnte. Nicht nur die Leistungen sind seiner Ansicht nach bedroht, sondern auch das Leben des müden, unaufmerksamen Kindes auf dem Schulweg.

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