Erreger aus Westafrika : Reicht der Affenpocken-Impfstoff für alle?
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240.000 Dosen Affenpocken-Impfstoff hat die Regierung bislang bestellt. Fachleute halten diese Menge für nicht ausreichend. Bild: dpa
Die Gefährdung der breiten Bevölkerung schätzt das RKI zwar als gering ein, Risikopersonen sollen sich trotzdem gegen das Virus schützen. 240.000 Dosen hat die Regierung bislang bestellt – zu wenig, sagen Fachleute.
Die Zahl der neuen Meldungen geht langsam zurück, seit drei Wochen schon. Das ist die gute Nachricht. In der vergangenen Woche wurden dem Robert-Koch-Institut (RKI) in ganz Deutschland 314 neue Fälle von Affenpocken gemeldet, wesentlich weniger als auf dem vorläufigen Höhepunkt der Ansteckungswelle in Deutschland Anfang Juli, da waren es 418 Fälle. Doch insgesamt ist die Ausbreitung des in Afrika beheimateten Erregers in Europa äußerst ungewöhnlich, seit dem Beginn der Welle im Mai wurden an das RKI mehr als 2700 Fälle berichtet.
Die Gefährdung der breiten Bevölkerung durch die Affenpocken, die eng mit dem als ausgerottet geltenden Pockenerreger verwandt sind, schätzt das RKI zwar als „gering“ ein – auch weil Infizierte zumeist nicht schwer erkranken und die Symptome nach einer Zeit meist von selbst wieder verschwinden. Doch weil sich das Virus seit Mai mit einem Mal ungewöhnlich stark außerhalb Afrikas verbreitet, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ende Juli eine Warnung ausgegeben und eine gesundheitliche Notlage ausgerufen. Vereinzelt geht eine Ansteckung mit einer schwerwiegenden Erkrankung einher, in Spanien starben unlängst zwei Infizierte. Bei einer Person führte eine Entzündung des Gehirns zum Tod.
Nach allem, was Fachleute bisher wissen, stecken sich Betroffene vor allem bei engem körperlichen Kontakt an – sexuelle Kontakte zwischen Männern dürften dabei laut den amtlichen Zahlen eine wesentliche Rolle spielen. Fast alle der mehr als 2700 Personen, die sich mit Affenpocken infiziert haben und hierzulande zum Arzt gegangen sind, sodass die Meldungen das RKI erreicht haben, sind Männer. Laut der Statistik waren bis einschließlich Mittwoch nur fünf Betroffene Frauen, eine Person gab ihr Geschlecht als „divers“ an, und bei einer weiteren Person war die Geschlechtsangabe nicht bekannt. Fachleute weisen allerdings darauf hin, dass sich grundsätzlich jeder mit dem Virus infizieren kann, der engen körperlichen Kontakt zu einer anderen Person hat. Es kann schon genügen, mit einer infizierten Person im selben Haushalt zu leben. Dass das Risiko einer Ansteckung für jene erhöht ist, die häufig Sex mit wechselnden Partnern haben, liegt auf der Hand. Schon früh mahnte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dass es keine Stigmatisierung schwuler Männer geben dürfe. Der Sozialdemokrat brachte es auf die Formel: „Es kann jeden treffen.“
Zwei Impfungen im Abstand von 28 Tagen
Damit es nun möglichst wenige trifft, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) seit Ende Juni eine Impfung gegen die Affenpocken. Der einzige in Deutschland gegen die Pocken zugelassene Impfstoff Imvanex ist zwar nicht zugleich für die Affenpocken zugelassen, doch nach Auffassung der Fachleute schützt er trotzdem vor dem afrikanischen Erreger – er wird nun abseits der eigentlichen Zulassung eingesetzt, Fachleute sprechen von einer Verwendung „off label“.
Die Impfkommission rät einerseits allen Erwachsenen zur Impfung, die engen Kontakt mit einer infizierten Person gehabt haben, sei es im privaten Umfeld oder zum Beispiel in einer Arztpraxis. Andererseits sind jene zur Impfung aufgerufen, deren Ansteckungsrisiko die STIKO als „erhöht“ betrachtet – das sind erstens erwachsene Männer, „die Sex mit Männern haben und dabei häufig die Partner wechseln“, sowie zweitens das zahlenmäßig wohl eher überschaubare Personal in medizinischen Laboren, in denen mit infektiösen Proben gearbeitet wird. Ältere, die noch gegen die Pocken geimpft sind – laut WHO sind die Pocken seit 1980 ausgerottet, die verpflichtende Impfung gegen das Virus wurde schon 1976 in Westdeutschland beendet und 1982 im Osten –, benötigen für einen wirksamen Schutz gegen die Affenpocken nur noch eine Impfung. Allen anderen rät die STIKO zu zwei Impfungen im Abstand von mindestens 28 Tagen. Laut den RKI-Daten haben sich in Deutschland vor allem Jüngere angesteckt, Männer Anfang bis Mitte 30 sind am häufigsten betroffen.