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Kopfschmerzen bei Schülern : Das unsichtbare Übel

„Mütze“ erfährt bei seinem Besuch in der Schmerzklinik, was man machen kann, damit der Schädel nicht so oft brummt. Bild: Karin Frisch

Immer mehr Schüler leiden unter Kopfschmerzen. Aber ernst nimmt das kaum jemand. Ein Arzt und eine Lehrerin wollen das jetzt ändern.

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          Diese bohrenden Schmerzen im Kopf, die einen an nichts anderes mehr denken lassen, kennt Mara*, seit sie sieben Jahre alt ist. Am Anfang tauchten sie nur ab und zu auf, blieben ein paar Stunden und verschwanden wieder. Über die Jahre aber setzten sie sich immer häufiger in ihrem Kopf fest. Mal auf der rechten Seite des Schädels, mal auf der linken. Aus kurzen Schmerzphasen wurden tagelange Qualen. Statt um Schule, Sport und Schwärmerei für Jungs drehte sich in ihrem jungen Leben zunehmend alles um den Schmerz. Im Unterricht nahmen ihre Fehlzeiten zu und ihre Leistung ab. Die Tage ohne Schmerzen wurden von Jahr zu Jahr weniger, heute gibt es sie gar nicht mehr für die Siebzehnjährige.

          Lucia Schmidt
          Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Mara leidet unter Migräne und Spannungskopfschmerz. Insgesamt gibt es laut aktueller offizieller Klassifikation 363 verschiedene Formen von Kopfschmerzen. Mara ist von den beiden häufigsten betroffen. Wie sich die Schmerzen, die sie regelmäßig aus der Bahn werfen, anfühlen, kann sie nach den vielen Jahren im medizinischen Fachjargon schildern. Wörter wie „es tut weh“ oder „es brummt“ nimmt sie nicht in den Mund. In ihrem Kopf „pocht“ und „pulsiert“ es bei Migräne. Tauchen Spannungskopfschmerzen auf, „ziehen sie sich wie ein Band um den Schädel vom Nacken in die Stirn“. Während sie erzählt, zeigt Mara mit den Händen, wo es genau drückt im Kopf.

          Sie hat das schon unzählige Male beschrieben, bei Dutzenden Ärzten. Manche von ihnen waren bemüht, konnten ihr aber nicht dauerhaft helfen. Von anderen fühlte sie sich nicht ernst genommen. „Als ich meiner Kinderärztin mal gesagt habe, dass das Schmerzmittel nicht hilft, hat sie mich ausgelacht und gesagt, das kann nicht sein. Das war verletzend“, erzählt Mara und verschränkt dabei die Arme vor der Brust, als wolle sie sich vor weiteren Verletzungen schützen.

          „Stell dich nicht so an, das sind nur Kopfschmerzen“

          Die Statistik sagt: In den vergangenen zwanzig Jahren hat die Häufigkeit von Kopfschmerzen bei Schulkindern um 300 Prozent zugenommen. Nach einer repräsentativen Befragung an Schulen sehen zwanzig bis fünfzig Prozent der Schüler Kopfschmerzen als ihr wichtigstes und hartnäckiges Gesundheitsproblem an, Hauptschüler häufiger als Gymnasiasten. Aus anderen Studien weiß man, dass 52 Prozent der deutschen Schüler an Spannungskopfschmerzen leiden, zwölf Prozent an Migräne und fast alle von ihnen darunter, dass sie in ihrem Umfeld auf Unverständnis stoßen. Sätze wie „Stell dich nicht so an, das sind nur Kopfschmerzen“ bekommt auch Mara in der Schule immer wieder zu hören. „Die wissen eben nicht, wie schlimm das wirklich ist“, entschuldigt sie die Mitschüler.

          Tatsächlich ist das Wissen, dass Kopfschmerz eine ernstzunehmende Erkrankung ist, in Deutschland nicht weit verbreitet. Ganz im Gegenteil. Wer oft über Brummen und Ziehen im Kopf jammert, wird belächelt oder als wehleidig abgestempelt. Nicht nur von Freunden und Familie, sondern auch von Medizinern, die es eigentlich besser wissen müssten. „Was die Behandlung und die Versorgung von Kopfschmerzen angeht, ist Deutschland ein Entwicklungsland“, sagt Professor Hartmut Göbel, Chefarzt der Kieler Schmerzklinik. „Dass Kopfschmerz keine banale Alltagserkrankung ist, sondern eine schwerwiegende, behindernde Erkrankung mit der Gefahr zur Chronifizierung und zu schwerwiegenden Komplikationen, ist erst seit rund zwanzig Jahren bekannt.“

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