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Homöopathen gegen Ebola : „Je tödlicher die Krankheit, desto mehr Quacksalberei“

  • -Aktualisiert am

Globuli: auch bald im Kampf gegen Ebola? Bild: Röth, Frank

Die einen schwören auf Schlangengift und Arsen, die anderen auf das Rauschen aus dem Internet. Die ersten Ebola-Fälle in den Vereinigten Staaten haben eine Reihe von Homöopathen auf den Plan gerufen.

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          Da Vid Raphael, der Chef der Stiftung San Francisco Medical Research, empfiehlt das Gift von Klapperschlange, Lanzenotter und Südamerikanischer Buschmeister, gemischt mit Phosphor und Quecksilberchlorid. Sein Kollege Richard Hiltner schwört auf Arsen. Und Bill Gray, Homöopath und Arzt aus dem kalifornischen Ort Los Gatos, rät bei Ebola zum Rauschen aus dem Smartphone.

          Unter emergencydr.org lassen sich Grays „eArzneien“ herunterladen, die bei Ebola-Kranken in Dosen von zehn Sekunden angeblich die Selbstheilung durch Stärkung von Immunsystem und Organfunktion vorantreiben. „Während die homöopathische Heilungsenergie fließt, hören Sie weißes Rauschen. Es ermuntert den Körper, sich selbst zu kurieren“, verspricht der Mitbegründer der Internationalen Stiftung für Homöopathie (IFH).

          Arzneien gegen Grippe helfen auch bei Ebola

          Die Ebola-Epidemie in Westafrika, die vor zwei Monaten auch die Vereinigten Staaten erreichte, bietet den Homöopathen des Landes Anlass zu immer neuen Phantastereien. Seit der Liberianer Thomas Duncan am 8. Oktober, wenige Tage nach der Ankunft in der texanischen Stadt Dallas, an einer Infektion mit dem Virus starb, überschlägt sich die Branche mit Heilansätzen.

          Die Ärztin und Homöopathin Vickie Menear fühlt sich von den Ebola-Symptomen an die Grippe-Epidemie aus dem Jahr 1914 erinnert und schlägt wie Raphael einen Schlangengift-Cocktail vor. „Die Anzeichen von Grippe und Ebola decken sich zu mindestens 95 Prozent“, glaubt Menear zu wissen. Während in Sierra Leone, Liberia, Guinea, Senegal, Nigeria und Mali laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 15.000 Ebola-Patienten mit dem Tod ringen, zieht auch die New Yorker Homöopathin Joette Calabrese beherzt Vergleiche.

          „Die Symptome von Ebola und anderen hämorrhagischen Fiebern ähneln Malaria, Denguefieber, Gelbfieber und viraler Hepatitis. Da in der Homöopathie die Heilmittel anhand der Krankheitszeichen gewählt werden, sind die Arzneien gegen Ebola dieselben wie bei den anderen Erkrankungen“, meint die Hausfrau und Mutter, die in den Vereinigten Staaten auch als Werbegesicht des französischen Pharmakonzerns Boiron auftritt.

          Tollkirsche für Kliniken in Liberia

          Da mögliche Heilmittel wie die Antikörpermischung ZMapp und der Wirkstoff siRNA bislang nicht bei klinischen Studien geprüft wurden, geben sich die Mediziner der amerikanischen Seuchenschutzbehörde (CDC) derweil zurückhaltend. „Intravenöse Flüssigkeiten, Elektrolyte, das Aufrechterhalten von Sauerstoffstatus und Blutdruck sowie die Behandlung weiterer Infektionen können die Überlebenschancen signifikant erhöhen“, heißt es auf der CDC-Website knapp.

          In Amerika verhilft Ebola den homöopathischen Globuli dennoch zu ungeahnter Aufmerksamkeit. Laut National Center for Homeopathy (NCH), im Jahr 1974 nach den Grundsätzen des gebürtigen Meißeners und Begründers der Homöopathie, Samuel Hahnemann, eröffnet, wurde ein „erfahrenes und heroisches“ Team nach Westafrika geschickt, um an der Ebola-Front Gutes zu tun. Die Daheimgebliebenen erforschten derweil Heilmittel wie Belladonna (Schwarze Tollkirsche), Gelsemium (Gelber Jasmin) und Nux Vomica (Brechnuss), die vor zwei Wochen auch an drei Kliniken in Liberia geschickt wurden.

          „Wir werden uns mit den homöopathischen Freiwilligen dort per Telefon, Textnachricht, Skype und Mail in Verbindung setzen, um sie anzuleiten“, versicherten die Betreiber des Homöopathie-Portals „www.flusolution.net“. Obwohl die Forschung Hahnemanns medizinischer Alternative höchstens einen Placebo-Effekt beimisst, verspricht die Website, die erwarteten westafrikanischen Erkenntnisse auch mit der Weltgesundheitsorganisation zu teilen.

          „Je tödlicher die Krankheit, desto mehr Quacksalberei“

          Seit dem Aufschwung am Anfang des 20. Jahrhunderts, als Hahnemanns Theorien zwischen New York und Los Angeles an fast zwei Dutzend Universitäten gelehrt wurden und mehrere hundert Apotheken seine Kügelchen anboten, zeigte sich die amerikanische Homöopathie nicht mehr so selbstbewusst. Für den Fall, dass Ebola den Mittleren Westen erreicht, werden in Illinois und Wisconsin schon homöopathische Kurse angeboten. Zudem spezialisieren sich einige Globuli-Berater derweil auf die Infektionskrankheit - vorsichtshalber.

          „Wenn der Ebola-Ausbruch in Afrika der Welt irgendetwas gezeigt hat, dann die gesamte Bandbreite der Quacksalberei. Je tödlicher die Krankheit, desto mehr Quacksalberei“, schimpft der amerikanische Onkologe und Blogger David Gorski. Laut WHO starben seit Ausbruch der Seuche im Dezember fast 5800 Ebola-Infizierte. Die Gruppe „Homöopathen ohne Grenzen“, von Gorski als Kopie von „Ärzte ohne Grenzen“ belächelt, wolle ihr „Wunderwasser“ daher auch in Westafrika vertreiben.

          Behörden verbieten homöopathische Behandlungen

          „Warum aber sollte die Medizin beim Kampf gegen eine echte Krankheit, die durch ein echtes Virus hervorgerufen wird, an vitalistischem Zauber interessiert sein?“, fragt der Professor der Wayne State University in Detroit (Michigan). „Die echte Medizin schafft es, vielleicht jeden zweiten Patienten zu retten. Wie wir wissen, führt eine unbehandelte Ebola-Erkrankung bei neun von zehn Infizierten zum Tod. Jeder Ebola-Patient, der auf Homöopathie hereinfällt, erhöht seine Chance, zu sterben, also von 50 auf 90 Prozent. Das ist ein gewaltiger Unterschied“, sagt Gorski.

          Die Nachricht, dass die liberianischen Behörden einem Team von Homöopathen, unter ihnen auch der Kalifornier Richard Hiltner und die Deutsche Ortrud Lindemann, untersagten, Infizierte mit Arsen und Schlangengift zu behandeln, dürfte den Mediziner freuen. Wie ein Sprecher des Gesundheitsamts in Monrovia der „Daily Mail“ sagte, war erst nach Ankunft der Ärzte im Ganta Hospital aufgefallen, dass sie Patienten mit Globuli behandeln wollten.

          Hiltner, Lindemann und zwei weiteren Homöopathen sei daraufhin verboten worden, die Pseudowissenschaft an Liberianern zu praktizieren. Auf Drängen der Weltgesundheitsorganisation soll dem homöopathischen Spuk nun zumindest in den westafrikanischen Ebola-Regionen ein Ende bereitet worden sein.

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