Sagen sie mal, Frau Doktor : Warum wachsen abrasierte Haare sofort wieder nach?
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Auf dem Kopf mögen wir sie, am Bein eher nicht: Haare Bild: Your Photo Today
Auf dem Kopf sind sie dem Menschen äußerst willkommen, an den Beinen und unter den Achseln meistens nicht so gern.
Haare, Haare, überall Haare: Wenn sie ausfallen, ist es uns auf dem Kopf und bei Wimpern und Augenbrauen nicht recht (verlieren tun wir circa 100 Haare pro Tag). Wenn sie aber nach der Rasur an Beinen und unter den Achseln wieder nachwachsen, auch nicht.
Fünf Millionen Haare beziehungsweise Haarfollikel haben wir, etwa 100.000 davon auf dem Kopf. Allein die Handinnenflächen, Fußsohlen, Schleimhäute und das Lippenrot sind frei von ihnen. Der Mensch ist ansonsten am ganzen Körper behaart, und das hat uns im Laufe der Evolution gerettet, denn in Zeiten ohne Kleidung haben unsere Haare uns vor den äußeren Einflüssen, sei es Sonneneinstrahlung, Kälte oder Feuchtigkeit, geschützt.
Falscher Eindruck vom Beinhaar
Das Vellushaar, das Haar der allgemeinen Körperbehaarung, ist kurz und meist farblos. Das Terminalhaar, das bei Männern circa 90 Prozent der Körperbehaarung ausmacht, bei Frauen etwa 35 Prozent, ist hingegen dick, pigmentiert und zum Teil lang. Bei Säuglingen ist es bereits als Kopfhaar, Wimpern und Augenbrauen vorhanden. Später wächst unter dem Einfluss der Androgene, also der Sexualhormone, statt Vellushaar dann Terminalhaar auch in den Achseln und der Genitalregion.
Haare sind eigentlich Horn. Wie bitte?, werden Sie jetzt fragen. Ja, richtig gelesen. Haare sind vertikale Einstellungen der Cutis, also der aus Oberhaut (Epidermis) und Lederhaut (Dermis) aufgebauten oberen Schicht des Integumentum commune, mit einer Umdifferenzierung der Hornschicht zum Haar. Soll heißen, Haare sind eigentlich lange Hornfäden. Sie bestehen zum größten Teil aus Keratin. In der Dermis liegen die Haarfollikel, deren Zahl im Laufe unseres Lebens nicht mehr zu, sondern nur noch abnimmt.
Wenn sie doch nur an den Beinen abnehmen könnte, wünscht sich wohl nicht nur jene Leserin, deren Frage Anlass dieser Kolumne ist. Im Gegenteil wird man den Eindruck nicht los, dass die Haare an den Beinen nach einer Rasur dicker werden und schneller nachwachsen.
Verschiedene Phasen
An dieser Stelle kann ich Sie beruhigen. Dutzende Probanden haben ihre Haare für die Wissenschaft geopfert und sich fleißig rasiert und ihre abrasierten Haare gesammelt - und alle Studien kamen zum gleichen Ergebnis: Die Haare werden nicht dicker und auch nicht mehr. Allein unsere Wahrnehmung spielt uns einen Streich.
Rein logisch betrachtet, machen die Stoppeln sogar Sinn. Haare werden zur Spitze hin dünner. Kappen wir unser Haar auf Hautniveau, sehen wir das Haar, das nach spätestens drei Tagen wieder über das Hautniveau hinaus lugt, in einem dickeren Querschnitt als vorher. Und der ist dann zudem auch noch meist dunkler als eine Haarspitze. Noch dazu stehen die Stoppeln gerader aus den Follikeln heraus. All das lässt das nachwachsende Haar fast schon wirken wie kleine Baumstämme, die aus der Haut ragen.
Der Lebenszyklus der Haare bleibt durch die Rasur freilich unbeeindruckt. Wie genau der Ablauf des Haarzyklus reguliert wird, ist nicht erforscht. Man kennt lediglich die verschiedenen Phasen, die das Haar durchläuft.
Haarausfall in den Wechseljahren
Da ist einmal die Wachstumsphase (Anagenphase), die beim Kopfhaar zwei bis sechs Jahre dauern kann. Dann gibt es die zwei- bis dreiwöchigen Übergangsphase (Katagenphase), in denen die Zellproduktion eingestellt wird, sich der Follikel im unteren Bereich verengt und das Haar abgestoßen wird. Und schließlich die zwei bis vier Monate dauernde Ruhephase (Telogenphase), in der sich Haarwurzel und Haarfollikel regenerieren, die neue Haarschaftproduktion beginnt und die zuvor abgestoßenen Haare ausfallen.
Unter Hormoneinfluss können die Haare alles Mögliche tun: Sie können sprießen oder ausfallen, und bei einer Schilddrüsenüberfunktion werden sie weicher und dünner. Bei Frauen, die schon vor den Wechseljahren unter Haarausfall zu leiden hatten, kann diese „androgenetische Alopezie“ durch das Absinken des Östrogenspiegels noch verstärkt werden.
Genauer Blick aufs Etikett
Eine weitere Frage, die auch mit dem Haar zu tun hat, stellt sich auch immer wieder. Sie lautet:Was kann den Juckreiz auf der Kopfhaut nach dem Tönen lindern?
Ich bin keine Dermatologin und färbe meine Haare auch nicht; noch finden sich nur vereinzelte graue Härchen an meinen Schläfen. Viele Frauen berichten aber über ein Jucken der Kopfhaut nach dem Tönen oder Färben der Haare. Welche Inhaltsstoffe in den Farben genau diese Probleme auslösen, kann man pauschal nicht sagen. Das bleichende Wasserstoffperoxid etwa reizt oftmals die Haut. Aber auch in Tönungen und Färbungen enthaltene aromatische Amine können reizend oder auch allergieauslösend wirken. Selbst bei Naturhaarfarben ist man vor dem ärgerlichen Jucken nicht geschützt. Henna selbst etwa gilt zwar nicht als allergieauslösend, aber häufig werden hennahaltigen Haarfärbemitteln auch oben genannte aromatische Amine beigemischt. Die Verbraucherzentralen empfehlen daher den genauen Blick aufs Etikett und plädieren dafür, dass man zertifizierte Naturkosmetik anwendet.
Vor dem Färben nicht waschen
Es stellt sich auch die Frage, ob es sich bei dem Jucken um eine Hautirritation oder eine Allergie handelt. Bei Allergien ist das Jucken meist begleitet durch eine sichtbare Hautreaktion, Pusteln oder Schwellungen etwa. Je nach Typ der allergischen Reaktion können die Symptome etwa beim allergischen Kontaktekzem erst 24 bis 72 Stunden nach Kontakt mit dem allergieauslösenden Agens auftreten. Bei einer starken allergischen Reaktion wird dann häufig Cortison zur Linderung der Beschwerden eingesetzt. Irritationen fallen eher weniger stark aus und gehen deutlich schneller zurück.
Um den natürlichen Säureschutzmantel der Haut nicht zu zerstören, wird empfohlen, die Haare direkt vor dem Färben nicht zu waschen. Auch sollten die Färbemittel möglichst nur auf die Haare und nicht auf die Kopfhaut aufgebracht werden, beim Selberfärben kann das manchmal schwer sein. Wer mit Hausmitteln wie Sonnenblumen- oder Olivenöl seine Beschwerden lindern kann, der möge das tun. Kopfhautöle oder -lotionen können ebenfalls Linderung schaffen. Was genau das Richtige für Sie ist, vermag ich allerdings so aus der Ferne und ganz pauschal nicht zu sagen.