Ausbruch im Osten Kongos : Die Ebola-Bekämpfer müssen sich beeilen
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Mitarbeiter des Gesundheitsamtes desinfizieren Ende Mai ein Gebäude des Krankenhauses in Mbandaka. Die Kongolesen haben mittlerweile viel Expertise in der Bekämpfung des Ebola-Virus. Bild: dpa
Der jüngste Ebola-Ausbruch im Kongo könnte viel gefährlicher sein als der vorherige. Der Seuchenherd liegt nah an den Grenzen zu Uganda und Ruanda. Doch die Ärzte brauchen eine bewaffnete Eskorte.
Jean-Jacques Muyembe-Tamfum hatte sich eigentlich auf seinen Urlaub gefreut. Wochenlang war der 76 Jahre alte Professor zuletzt im Einsatz gewesen, um die Ebola-Epidemie im Norden von Kongo einzudämmen. Dann konnte endlich Erfolg gemeldet und der Ausbruch der tödlichen Krankheit für beendet erklärt werden. Nur 33 Personen waren gestorben und das, obwohl das Virus die Millionenstadt Mbandaka in der Provinz Équateur erreicht hatte.
Und nun diese Hiobsbotschaft, diesmal aus dem Nordosten des Landes: „Nahe der Stadt Beni sind 20 Personen gestorben, vermutlich an Ebola, 13 weitere Menschen sind wohl infiziert, sechs Proben wurden nach Kinshasa geschickt, vier davon positiv.“ Eine 65 Jahre alte Frau hatte Krankheitssymptome gezeigt und war zunächst gegen Denguefieber behandelt worden. Wenig später jedoch zeigte sie Symptome des Ebola-Fiebers und starb. Sieben ihrer Verwandten starben mittlerweile ebenfalls, außerdem der Mitarbeiter einer Gesundheitsstation.
Er muss also wieder los. Muyembe packt schon seinen Koffer, am morgigen Dienstag geht sein Flugzeug. Kongos oberster „Ebola-Jäger“, so das Fachmagazin „The Lancet“, weiß, dass der neuerliche Ausbruch sehr viel gefährlicher sein kann, als der letzte. Der Seuchenherd befindet sich rund 30 Kilometer von der Stadt entfernt, in dem Dorf Mangina. Ohne bewaffnete Eskorte kann sich dort niemand sicher bewegen. Archaische Milizionäre, die sich Mayi-Mayi nennen, wüten in den Wäldern, immer wieder wird die Provinz Nord-Kivu von den aus Uganda einfallenden Islamisten der Allied Democratic Forces terrorisiert, und auch der ehemalige Warlord und Außenminister Kongos, Mbusa Nyamwisi, hält sich mit seinen Kriegern irgendwo im Dickicht versteckt, seit er mit Präsident Joseph Kabila gebrochen hat.
Virus könnte sich auch in Uganda und Ruanda ausbreiten
Verzweifelt versuchen Blauhelme das Chaos im Osten Kongos in den Griff zu bekommen. 15.000 Mann sind mittlerweile in dem Riesenstaat im Herzen Afrikas stationiert. Viel Fortüne zeigten sie dabei bislang nicht; möglicherweise aber können die Friedenssoldaten die Ebola-Bekämpfer eskortieren und ihnen so die Arbeit erleichtern.
Doch nicht nur die Sicherheitslage stellt ein Problem dar: Nur wenige Kilometer von Beni entfernt befindet sich der Grenzübergang zu Uganda und auch das dichtbesiedelte Ruanda ist nicht weit entfernt. Im Osten Kongos liegen die meisten Rohstoffe, die das Land so begehrlich machen: Gold und Kobalt, Kupfer und Coltan. Es herrscht dort ein reger Verkehr mit den Nachbarländern. „Wir müssen verhindern, dass sich die Epidemie auf die Region ausdehnt“, sagt Muyembe, „das wäre ein Albtraum.“ Vor drei Jahren hatte ein Ebola-Ausbruch in Westafrika 11.000 Menschenleben gekostet, betroffen waren hauptsächlich die Länder Guinea, Liberia und Sierra Leone.
Der damalige Ausbruch traf die Mediziner in seiner Vehemenz unvermittelt. Man hat davon gelernt. Der letzte Ausbruch konnte nicht zuletzt deshalb so effektiv bekämpft werden, weil in der Zwischenzeit ein Impfstoff (rVSV-ZEBOV) entwickelt wurde, von dem schon 300.000 Dosen hergestellt wurden.
Ausländische Fachleute müssen lange auf Visa warten
Dennoch müssen sich die Ebola-Jäger beeilen. Der aktuelle Ausbruch im Osten Kongos muss schon im Mai begonnen haben und lange Zeit unentdeckt geblieben sein. „Jetzt brauchen wir neben den Impfstoffen dringend Schutzanzüge und Desinfektionsmittel“, sagt Muyembe, „die Infizierten müssen so schnell wie möglich isoliert und der Ort unter Quarantäne gestellt werden.“ Zwar hätten es ausländische Fachleute etwa von den Centers for Disease Control and Prevention aus Atlanta derzeit schwer, nach Kongo zu kommen, weil die Erteilung von Visa lange dauert. Dennoch hätten die Kongolesen mittlerweile selbst genug Expertise.
Wohl kaum jemand auf der Welt hat so viel Erfahrung mit dem tödlichen Filovirus wie Muyembe. Als Direktor des Nationalen Instituts für Biomedizinische Forschung steht er einer Gruppe von 15 Forschern vor; in den vergangenen Jahrzehnten hat er zehn Ausbrüche von Ebola oder auch des Marburgfiebers wissenschaftlich begleitet. Als junger Professor für Mikrobiologie war er 1976 aus Kinshasa in ein belgisches Missionskrankenhaus in Yambuku, in der Provinz Équateur geschickt worden. „Es war damals von einem mysteriösen Massensterben die Rede, auch katholische Nonnen waren gestorben“, erinnert sich Muyembe: „Wir dachten damals an Typhus oder Gelbfieber.“ Myembe nahm Proben, doch wann immer er mit der Nadel ins Fleisch der Patienten stach, spritzte das Blut.
Nicht wissend, welch tödlicher Gefahr er sich aussetzte, nahm Muyembe eine der infizierten Nonnen mit in die Hauptstadt. Wenig später starb die Belgierin. In Kinshasa wurden die Blutproben analysiert: Die Menschen litten an der Infektion mit einem unbekannten Filovirus. Die Symptome waren zunächst grippeähnlich, später endeten sie in einem hämorrhagischen Fieber. Man nannte das neuentdeckte Virus Ebola, nach einem Fluss in der Nähe der Missionsstation.
Noch immer suchen die Wissenschaftler nach dem Wirtstier. „Das Virus könnte durch Nilflughunde übertragen werden, aber sicher sind wir nicht“, sagt der Professor, „theoretisch kann die Krankheit auch durch den Verzehr von Antilopenfleisch übertragen werden.“ Eine Häufung von Ebolafällen in der vergangenen Zeit führt Jean-Jacques Muyembe-Tamfum auf den zunehmenden Genuss von Wildfleisch zurück. „Es werden immer mehr Wälder abgeholzt, die Bevölkerungszahl steigt und steigt, dazu kommen die Bürgerkriege – die Menschen essen nahezu alle Tiere, noch irgendwo frei herumlaufen.“ Das wird ihnen nun zum Verhängnis.