Gefährliche Selbstporträts : Die Selfie-Laus bedroht Russlands Köpfe
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In jeder Situation werden Selfies gemacht. Doch das kann auch gefährlich werden Bild: dpa
Russische Verbraucherschützer warnen vor der sprunghaften Verbreitung von Läusen durch Selfies. Angeblich profitiert der Parasit von den Selbstporträts.
Unter den Plagen, die Russland heimsuchen, hat auch die Laus ihren Platz. Nicht erst seit gestern. Doch geht es nach der Verbraucherschutzbehörde im Gebiet Kursk, profitiert der Parasit von modernen Selbstinszenierungen, welche die Erfolge verbesserter Hygiene zu verwässern drohen. Ironische Beobachter sehen sogar den Kreml bedroht.
Die Verbraucherschützer von der Grenze zur Ukraine nahmen sich vorige Woche in einer Mitteilung der Prophylaxe der Pedikulose an; so wird der Befall durch Kopf- oder Kleiderläuse genannt. Die Behörde erinnerte daran, dass die Blutsauger schon im Gefieder von Vögeln gefunden worden seien, die vor 44 Millionen Jahren gelebt hätten. Die „ständigen Begleiter elementarer und sozialer Armut“ könnten nicht nur unangenehmen Juckreiz, sondern auch tödliche Gefahren mit sich bringen. So seien im russisch-türkischen Krieg von 1768 bis 1774 mehr Menschen an von Läusen übertragenem Fleckfieber gestorben als an Verwundungen.
Die Verbraucherschützer holten noch weiter aus: Im mittelalterlichen Europa, schrieben sie, seien Läuse als „Gottes Perlen“ bezeichnet worden, weil sie „christliches Blut“ in sich getragen hätten, weshalb es als „Zeichen besonderer Heiligkeit“ gewertet worden sei, sich nicht zu waschen. Wer doch nicht der Versuchung widerstehen konnte, sich seiner Läuse und damit des Juckreizes zu entledigen, habe zu Quecksilber oder Seidenunterwäsche gegriffen, in der die Biester keinen Halt gefunden hätten. Das eine hatte fatale Nebenwirkungen, das andere war teuer. Gut, dass das vorbei ist: Der „moderne Mensch“, hielten die Verbraucherschützer fest, müsse aufgrund der verbesserten persönlichen Hygiene eigentlich nicht mit „Phänomen wie Läusen aneinandergeraten“. Doch hätte der Appell aus dem Westen des Landes gewiss keine überregionale Aufmerksamkeit gefunden, wenn er das gleichsam zeitlose Pedikulosephänomen nicht mit einem zeitgenössischeren, nicht minder pandemischen Faktor in Zusammenhang gebracht hätte: dem sogenannten Selfie. Dabei fotografieren sich Menschen selbst, in Paaren oder Gruppen. „Der Grund für die Verbreitung von Pedikulose unter Jugendlichen ist, nach Meinung von Experten, die Begeisterung für Selfie-Fotografien“, hieß es in der Kursker Mitteilung. Denn steckten Jugendliche ihre Köpfe zusammen, ermöglichten sie den Parasiten die Verbreitung von Kopf zu Kopf.
Droht jetzt ein Selfie-Verbot?
In der Tat scheint die Gier nach immer extremeren Selbstporträts Gefahren zu bergen. Auch in Russland ist der Unfalltod eines polnischen Ehepaars in Portugal vermerkt worden, das kürzlich vor den Augen seiner Kinder beim Versuch, an einer Steilküste ein Selfie aufzunehmen, abstürzte. Dennoch ist das Phänomen längst auch in der russischen Elite angekommen. Unbestrittener Champion ist dabei Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew, der die Selbstporträts mit seinem iPhone aufnimmt.
Das Selfie einer langhaarigen Moderatorin des Propagandasenders Russia Today zeigt diese lächelnd an der Seite von Außenminister Sergej Lawrow. Sogar Bilder finden sich, die Präsident Wladimir Putin an der Seite jugendlicher Selfiejünger zeigen. Nachdem Journalisten und Nutzer sozialer Netzwerke unter Hinweis darauf die ganze Brisanz des Laus-Selfie-Nexus offenbart hatten, teilte die zentrale Verbraucherschutzbehörde zu der Warnung ihrer Kursker Kollegen lediglich mit, sie wolle deren Worte nicht widerlegen, das Thema aber auch nicht vertiefen. Sie selbst tritt derzeit damit hervor, russische McDonald’s-Restaurants unter Hinweis auf angebliche Hygienemängel zu schließen. Nutzer des Internetdienstes Twitter unkten nun, wahrscheinlich drohe ein Verbot des Selfies.