Die lieben Kleinen (3) : Muttermilch macht stark. Aber wie lange?
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Muttermilch: Lecker und gesund. Bild: Isabel Klett
Stillen ist gesund, das steht fest. Doch einmal muß es vorbei sein. Der ideale Zeitpunkt ist dabei für jedes Kind ein anderer.
Matti ist Adas Puppe, und Matti hat jetzt Hunger. "Trinken", sagt die Zweijährige, "Milch". Sie bleibt stehen, zerrt Matti aus seinem Buggy, stopft ihn sich unter die Jacke. "Busen", sagt sie und zieht die Nase kraus. Und stillt.
Mutters Milch ist einfach die beste. Wieder, muß man sagen, denn in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren galt Stillen als unmodern und etwas für arme Leute. Von Schadstoffen in der Muttermilch war damals viel die Rede, und davon, daß man doch gar nicht wissen könne, ob das Kleine genug trinkt, so ganz ohne Meßlöffel und Milliliterskala.
Mittlerweile ist aber durch viele Untersuchungen belegt, was auch biologisch naheliegt: Die Milch der eigenen Mutter enthält genau die ausgewogene Mischung aus Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten, Enzymen, Abwehrstoffen und Wachstumshormonen, die ein Säugling braucht und verträgt. Jedenfalls in den ersten paar Monaten.
Schritt für Schritt
Ein paar Monate? Mit solch ungenauen Angaben geben sich Eltern und Ernährungsforscher selten zufrieden. So finden sich in den meisten Büchern, Broschüren, Zeitschriften und im Internet genaue Fahrpläne, Tabellen und Zeittafeln. Ungefähr mit diesem gemeinsamen Nenner: Muttermilch ist besser als Flaschennahrung, frühestens nach vier Monaten - bei allergiegefährdeten Kindern nach sechs - darf, spätestens nach sieben muß die Milch mit ein paar Löffelchen Möhrenmus ergänzt werden.
"Früher verträgt das Baby noch keinen Brei, später drohen Mangelerscheinungen, weil Eisen, Vitamin C und Zink in der Muttermilch nicht mehr reichen", sagt Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung an der Universität Dortmund (FEK). Schritt für Schritt sollten dann Getreide, Obst, Milch und Fleisch zugefüttert werden. Monat für Monat wird eine Milchmahlzeit mehr ersetzt, mit etwa einem Jahr können die Kleinen dann komplett bei den Großen mitessen.
Ein Beitrag zur Volksgesundheit
Dieser Idealfahrplan mag nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgetüftelt sein. Trotzdem ist er überwiegend Theorie. Nach den wenigen vorliegenden Daten, zum Beispiel einer FKE-Studie aus dem Jahre 1998, stillen etwa zehn Prozent der Mütter überhaupt nicht. Genauer gesagt: Sie stillen sofort ab. Bereits in der Schwangerschaft bildet sich ein bißchen Milch, die Brüste werden direkt nach der Geburt auf den eigentlichen Milcheinschuß programmiert. Wer das nicht will, muß es verhindern. Mit Medikamenten oder ganz klassisch mit Brusthochbinden, Salbeitee und seltenem Anlegen.
Das ist schade. Denn trotz aller Forschung und Werbung ist Muttermilchersatznahrung immer nur die zweitbeste Lösung, von Kuhmilch ganz zu schweigen. Stillen ist sozusagen ein Beitrag zur Volksgesundheit - so lautet der Tenor der meisten Experten und Studien. Stillen schützt das Kind vor Infektionen, mindert das Risiko für Diabetes, Heuschnupfen und Neurodermitis, Kieferfehlstellungen und Übergewicht und senkt das Brustkrebsrisiko der Mutter. Stillen fördert die Gebärmutterrückbildung und entspannt Mutter und Kind. Gestillte Kinder sollen insgesamt sogar intelligenter, liebesfähiger und weniger suchtgefährdet sein.
Wenig Gründe nicht zu stillen
Die Gründe fürs sofortige Abstillen sind meist persönlicher Natur. Hannahs Mutter beispielsweise mochte die kommenden anstrengenden Tage und Nächte nicht ohne ihre Zigaretten aushalten müssen, ihre Freundin hatte Angst um ihren strammen Busen. Andere Gründe, Müttern vom Stillen abzuraten, gibt es dagegen kaum - zumindest unter den hygienischen Verhältnissen westlichen Standards. In weniger entwickelten Weltgegenden allerdings besteht schon eher Gefahr durch falschen Muttermilchersatz oder verkeimtes Wasser.