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Spenderrückgang : „Wir brauchen eine Kultur der Organspende“

Fehlt es den Deutschen an Motivation? Dabei schenkt ein Organspender, von dem alle Organe transplantiert werden, durchschnittlich 56 neue Lebensjahre Bild: Getty

Die Spenderzahlen gehen immer weiter zurück, in den Kliniken gibt es Konflikte. Was kann dagegen getan werden? Ein Gespräch mit Axel Rahmel von der Deutschen Stiftung Organtransplantation.

          7 Min.

          Herr Rahmel, in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Organspender in Deutschland immer wieder zurückgegangen. Wie viele Organspender gab es 2017 in Deutschland?

          Eva Schläfer
          Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Wir hatten im vergangenen Jahr 797 Organspender. Das bedeutet einen Rückgang von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der gespendeten Organe aus Deutschland liegt bei 2594. Das ist ein noch stärkerer Rückgang von 9,5 Prozent. Dieser Unterschied ist darauf zurückzuführen, dass pro Spender weniger Organe von den Transplantationszentren akzeptiert worden sind als im Vorjahr. Wir können also nicht davon sprechen, dass die Organspenderzahlen stabil sind. Das ist für die Patienten auf der Warteliste schlicht und ergreifend eine dramatische Situation.

          Deutschland rutscht damit unter die Grenze von zehn Spendern pro Million Einwohner. Will ein Land heute der Organvermittlungsstelle Eurotransplant beitreten, in der Deutschland Mitglied ist, könnte dieser Wert ein Kriterium für die Aufnahme sein. Was halten die sieben anderen Mitgliedsländer von dem deutschen Organmangel?

          Natürlich sind alle Länder im Eurotransplant-Verbund von dem deutschen Rückgang bei der Organspende betroffen. Relevant ist aber ein anderer Punkt. Der Erfolg des Organaustauschs hängt von einem möglichst großen Organpool ab, weil auf diese Weise das Matching zwischen Spender und Empfänger und damit die Ergebnisse der Transplantation verbessert werden können. Zudem ermöglicht die internationale Kooperation, hochdringlichen Patienten schneller mit einem lebensrettenden Spenderorgan zu helfen. Für Patienten mit besonderen Eigenschaften wie beispielsweise Antikörpern gegen bestimmte Gewebemerkmale kann es gerade in einem kleinen Land sehr schwer sein, ein geeignetes Organ zu finden. Auch wenn sich die Organspende in Deutschland auf einem niedrigen Niveau befindet, sind wir mit unseren absoluten hohen Spenderzahlen ein ganz wichtiger Baustein im Eurotransplant-Verbund. Damit ist die Voraussetzung, dass Deutschland die Grundidee von Eurotransplant unterstützt, auch weiterhin klar gewährleistet.

          Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation
          Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation : Bild: Deutsche Stiftung Organtransplantation

          2007 gab es 1313 Spender, etwa 65 Prozent mehr als 2017. Zu einem signifikanten Rückgang kam es nach 2012. Damals war herausgekommen, dass an mehreren deutschen Transplantationszentren Ärzte falsche Angaben über den Zustand von Patienten gemacht hatten. Seitdem ist das Transplantationsgesetz um Kontrollmechanismen erweitert worden. Greifen diese?

          Tatsächlich sind eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen worden. In den Kliniken kann nicht mehr ein einzelner Arzt entscheiden, wer auf die Warteliste kommt. Es sind Transplantationskonferenzen eingeführt worden, bei denen mindestens drei, in aller Regel deutlich mehr Experten beteiligt sind, die sich jeden einzelnen Fall mit Sorgfalt anschauen. Zudem werden die Transplantationszentren extern kontrolliert. An den Auditierungen der Zentren sind auch Vertreter der Landesministerien beteiligt. Dabei werden die Daten der Patienten auf der Warteliste überprüft. Die letzten Berichte der Prüfungskommission zeigen erfreulicherweise, dass systematische Manipulationen, wie wir sie gekannt haben, nicht mehr vorkommen. Das deutsche System, wie wir es heute haben, gilt in Europa als vorbildlich, weil wir die Organverteilung und die Aufnahme auf die Warteliste stringenter regeln als viele andere.

          Wollen Sie damit sagen, dass in deutschen Transplantationszentren heute alles mustergültig läuft?

          Nein, es gibt auch schwierige Punkte. Die meisten Zentren haben ihre Konsequenzen aus früheren Unregelmäßigkeiten gezogen. Es gibt aber auch Zentren, die versuchen, ihr Verhalten im Nachhinein mit Argumenten zu rechtfertigen, über die man durchaus nachdenken kann, die aber besser in der Phase vorgebracht worden wären, in der man sich entschieden hat, von den Vorgaben abzuweichen. Es wäre sehr hilfreich, wenn sich alle Transplantationszentren in Deutschland im Konsens darauf besinnen, nun ganz klar nach den Regeln zu arbeiten und sich auch konstruktiv einbringen, um die Regeln kontinuierlich weiterzuentwickeln.

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