Weltweite Coronakrise : Warum diese Länder zu Hotspots wurden
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Im Pflegeheim Life Care bei Seattle gab es bislang 37 Virus-Tote. Bild: Reuters
Ob in Italien, Österreich oder Amerika: In manchen Regionen der Welt erkranken besonders viele Menschen an Covid-19. Wie kann das sein? Eine globale Spurensuche.
Bürgermeister Giorgio Gori und Luca Lorini, Chefarzt der Intensivstation der Klinik Papst Johannes XXIII. in Bergamo, sind sich einig: Das Hinspiel im Achtelfinale der Champions League zwischen Atalanta Bergamo und dem spanischen Club FC Valencia am 19. Februar hat maßgeblich zum explosionsartigen Ausbruch der Coronavirus-Epidemie in der Lombardei beigetragen. Gori spricht von einer „biologischen Bombe“. Für die Verbreitung eines Virus, sagt Loroni, sei es „ein wahnsinniger Beschleunigungseffekt, wenn sich 40.000 Menschen umarmen und küssen“.
Beim nationalen Zivilschutz in Rom, der den Kampf gegen die Epidemie im ganzen Land koordiniert, will man die These nicht bestätigen, weist sie aber auch nicht rundweg zurück; Zivilschutzchef Angelo Borrelli ließ sich zu der Bezeichnung verleiten, das Spiel könne ein „potentieller Detonator“ gewesen sein. Wegen des großen Zuschauerandrangs fand es im San-Siro-Stadion in Mailand statt. Mit dem 4:1 legte Atalanta den Grundstein für den späteren Einzug ins Viertelfinale. Das heimische Stadion wird seit 2019 umgebaut und wäre für den Zuschaueransturm zu klein gewesen. Von Bergamo, wo rund 120.000 Menschen leben, in die Metropole Mailand sind es kaum 60 Kilometer. Die meisten der 44.000 Zuschauer im San-Siro-Stadion dürften aus Bergamo angereist sein.
Das Spiel fand einen Tag vor dem positiven Test von Italiens „Patient eins“ in der Klinik von Codogno südöstlich von Mailand statt. Es gab am Abend des 19. Februar noch keinen Hinweis, dass das Virus in Italien, namentlich in der Lombardei, angekommen sein könnte. Auch in Bergamo feierten die Daheimgebliebenen in Bars und Restaurants ausgelassen den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte von Atalanta.
Untypisch viele Lungenentzündungen im Februar
Inzwischen gehen die meisten italienischen Virologen und Epidemiologen davon aus, dass das Virus wesentlich früher als Mitte Februar – nämlich schon Mitte oder sogar Anfang Januar – in der dichtbesiedelten Po-Ebene präsent war und sich unerkannt verbreiten konnte. Darauf deuten untypisch viele Lungenentzündungen hin, die im Januar und Februar von Hausärzten in jenen Gebieten diagnostiziert wurden, die Wochen später zu Brutstätten der Epidemie werden sollten. Schon bei diesen Erkrankungen könnte es sich um Covid-19-Lungenentzündungen gehandelt haben.
Gegen die Theorie von der „Virenschleuder“ San-Siro-Stadion spricht, dass die gut 40.000 Tifosi aus Bergamo die Coronaviren zwar massenhaft ins Stadion eingeschleppt haben würden, sie aber dann sozusagen wieder mit nach Hause genommen haben müssten. Denn obwohl viele Fans vor der Heimfahrt ausgelassen in Bars und Restaurants in Mailand gefeiert hatten, manche auch dort übernachtet hatten, hat es in der Wirtschaftsmetropole bisher keinen so sprunghaften Anstieg der Infektionen gegeben wie in Bergamo und Umgebung.
2. Hotspot Kirkland: „Wir dachten an eine Grippe“
Schon Ende Januar hatte eine Krankenschwester des Life Care Center in Kirkland, einem Vorort von Seattle im amerikanischen Bundesstaat Washington, den Notarzt gerufen. „Sie hat Atemprobleme“, beschrieb sie die Symptome einer 85 Jahre alten Bewohnerin des Pflegeheims. Eine Woche später folgte der nächste Notruf. Zwei Tage darauf, am 10. Februar, ließ Heimleiter Tim Killian nach einer Welle von Atemwegserkrankungen unter den etwa 120 Bewohnern Warnschilder in der Lobby aufstellen.