Rentner über Corona-Demo : „Das war entsetzlich“
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Protest gegen Corona-Regeln in Gera Bild: dpa
Alfons Blum ist 84 Jahre alt und leidet darunter, dass er seine Frau nicht im Pflegeheim besuchen darf. Auf einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Gera fühlte er sich am Wochenende aber nicht wohl – sondern bedroht. Ein Interview.
Herr Blum, Sie haben am Wochenende der ARD auf einer Protestaktion gegen die Corona-Maßnahmen in Gera ein Interview gegeben, das für viel Aufsehen gesorgt hat. Wie kam es dazu, dass Sie an Ort und Stelle waren?
Meine Frau liegt seit Mitte Dezember im Pflegeheim. Ich kann in acht Minuten zu dem Heim laufen, deswegen war ich jeden Tag da. Die Schwestern haben gesagt, dass sie so etwas noch nicht erlebt hätten. Seit dem 13. März kann ich meine Frau aber nicht mehr besuchen. Ich habe eigentlich gar keinen Kontakt mehr zu ihr. Sie hat ganz starke Demenz. Wenn ich sie besucht habe, war sie meistens teilnahmslos und hat das wahrscheinlich gar nicht mitbekommen. Aber manchmal war ich sehr erstaunt, wie sie reagiert und mich plötzlich erkannt hat. Sie hat dann sogar ein bisschen gesprochen, das hat sehr gut getan.
Das heißt, Sie können mit Ihrer Frau jetzt auch nicht per Video oder Anruf sprechen?
Ich habe die Schwestern gebeten, dass sie mal mit dem Telefon zu meiner Frau gehen, wenn sie einen sogenannten guten Tag hat. Das haben sie ein-, zweimal gemacht, das ist aber schon wieder Wochen her jetzt. Der „MDR“ hat mich jetzt kontaktiert und will versuchen zu organisieren, dass ich meine Frau mal wieder sehen kann. Aber diese Woche wird das wohl nichts mehr. Bis Ende dieser Woche will das Heim ein Besuchskonzept erarbeiten, das muss dann beim Gesundheitsamt eingereicht werden. Vielleicht dauert das also noch bis Anfang Juni. Das würde bedeuten, dass wir uns ein Vierteljahr nicht sehen. Für mich ist das seelische Folter. Wir haben eine phantastische Ehe geführt, am 8. Juni sind wir 63 Jahre verheiratet. Wir lieben uns sehr. Mein Schatz hält mich am Leben.
Kümmert sich jemand um Sie?
Ja, meine Nichte, zusammen mit ihrem Mann. Einmal in der Woche kommen sie vorbei. Sie sagt oft, dass sie mich bewundert, weil ich so viel Kraft noch habe mit 84 Jahren. Ich war Flüchtling, ich habe viel durchgemacht, mein Vater ist früh verstorben, meine liebe Mutter war alleine mit fünf Kindern. Da haben wir kämpfen gelernt. Aber jetzt habe ich keine Kraft mehr.
In dem ARD-Video ist zu sehen, wie Sie von einem anderen Demonstranten angeschrien werden, der auf das „Merkel-Regime“ schimpft und Ihnen vorwirft, dass Sie sich „veralbern“ lassen. Wie haben Sie das erlebt?
Das war entsetzlich. Ich wurde auch bedrängt, weil ich nicht in dem Sinne der anderen Demonstranten gesprochen habe. Auf dem Transparent von einem Mann stand: „Krieg gegen Bürger“. Da habe ich zu ihm gesagt: „Das ist total überzogen, und das stimmt nicht.“ Dann war ich im Nu umzingelt von Leuten, die gesagt haben, es gäbe keine Meinungsfreiheit mehr. Ich weiß aus der DDR aber noch, was es heißt, keine Meinungsfreiheit zu haben. Da saß ich mal in der Straßenbahn und habe in einem privaten Gespräch gesagt: „Ja, wo leben wir denn?“ Dann ist einer aufgestanden und hat gesagt: Wie haben Sie das gemeint? Der war wahrscheinlich von der Stasi. Da musste man also Angst haben, seine Meinung zu sagen. Heute kann ich sagen, „Frau Merkel muss weg“, da passiert nichts. Die Polizisten schaffen nur Ruhe und Ordnung, die Meinungsfreiheit wird missbraucht, um sie zu beschimpfen. Ich wurde so bedrängt, dass ich wirklich ein bisschen Angst hatte, dass mir am Ende jemand hinterher schleicht und mich zusammenhaut. Ich bin nicht bis zum Ende geblieben. Meine Nichte hat mich später angerufen und mir erzählt, dass es noch zu Tumulten kam und die Polizei eingreifen musste. Was ist nur mit den Menschen los?