Von fit bis sterbend
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Dilek Kalayci, Berlins Gesundheitssenatorin, auf der Intensivstation des Vivantes Humboldt-Klinikum Bild: dpa
Gebrechlichkeit als Stufenmodell: In der Vorsorge für den Extremfall findet der Ethikrat eine Notlösung. Staatliche Regelungen hält er für ungeeignet, einheitliche Handlungsmaximen indes für wünschenswert.
Wie können knappe intensivmedizinische Ressourcen im schlimmsten Fall zugeteilt werden? Während der Gesetzgeber die Debatte meidet, haben die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfall-Medizin (DIVI) zusammen mit anderen Fachgesellschaften einerseits, und der Deutsche Ethikrat andererseits ausführliche Stellungnahmen veröffentlicht. Bettina Schöne-Seifert hat die Ansätze beider Dokumente hier kritisch erörtert; Reinhard Merkel, Mitglied des Ethikrats, hat ihr anschließend darauf geantwortet.
Unter den „Klinisch-ethischen Empfehlungen“ der DIVI verdient Punkt 3.2 besondere Aufmerksamkeit: „Kriterien für die Priorisierungs-Entscheidungen“. Dort wird erläutert, welche Symptome „in der Regel mit einer schlechten Erfolgsaussicht“ verbunden sind. Neben bestimmten krankheitsbezogenen Anhaltspunkten wie multiplem Organversagen wird auch der allgemeine Gesundheitszustand angeführt, insbesondere die „Gebrechlichkeit“. Als technische Größe wird diese in der Praxis nach der Clinical Frailty Scale bemessen, einem Instrument, das auch bei Auswahl-Entscheidungen in der Transplantationsmedizin eine Rolle spielt. Die Skalierung unterscheidet neun Stadien: von 1 (sehr fit) bis 9 (sterbend). Stadium 4 ist „vulnerabel“: keine tägliche Hilfe durch andere nötig, aber „verlangsamt“ oder „müde während des Tages“, Stadium 7 ist „sehr gebrechlich“: wegen einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung vollständig abhängig von persönlicher Unterstützung, aber stabil und nicht gefährdet, während der nächsten sechs Monate zu sterben.
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