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Hohe Anforderungen an Politik : Ethikrat plädiert für Impfpflicht – sieht in ihr aber kein Allheilmittel

Kein Allheilmittel: Impfaktion im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach Bild: dpa

Keine Zwangsimpfung und nur als Teil einer Strategie: Der Ethikrat spricht sich per Mehrheitsbeschluss für die Impfpflicht aus. Er stellt aber hohe Anforderungen an die Politik.

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          Es war kein leichter Auftrag für den Ethikrat, eine Orientierung für die eigentlich schon beschlossene Impfpflicht abzugeben. Denn in der politischen Diskussion wurde der Eindruck erweckt, als sei die Impfpflicht das Allheilmittel, das die sich rasant zuspitzende Pandemie in einen endemischen Zustand versetzt. Davon aber kann keine Rede sein. „Auch eine noch einzuführende allgemeine gesetzliche Impfpflicht wird die gegenwärtige vierte Infektionswelle nicht  brechen können“, stellt der Ethikrat fest.

          Heike Schmoll
          Politische Korrespondentin in Berlin, zuständig für die „Bildungswelten“.

          Der Rat will keine Beschaffungsmaschine zur Legitimation sein, die nachträglich politische Entscheidungen sanktioniert. Bundesregierung und Ministerpräsidentenkonferenz hatten das Gremium am 2. Dezember gebeten, eine Einschätzung zu den ethischen Aspekten einer allgemeinen gesetzlichen Impfplicht abzugeben. Mit seiner am Mittwoch veröffentlichten Ad-hoc-Stellungnahme „Ethische Orientierung zur Frage einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht“ will der Ethikrat Argumente liefern und zu einer Versachlichung der polarisierten Debatte beitragen.

          Buyx: Handlungs- und Gestaltungsspielraum für die Politik

          Es war keineswegs absehbar, dass der Ethikrat sich überhaupt mehrheitlich dafür entscheidet, eine allgemeine, über die bereichsbezogene hinausreichende Impfpflicht zu empfehlen. 20 Mitglieder stimmten dafür, vier dagegen. „Der Ethikrat kann die Umsetzungsfragen einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht nicht lösen, aber darauf hinweisen, mit welchen Maßnahmen ihre Einführung flankiert werden muss. Das Papier eröffnet Handlungs- und Gestaltungsspielraum für die Politik, den sie aber dann auch verantwortlich nutzen sollte. Es verweist aber auch auf die großen Probleme“, sagte die Vorsitzende des Ethikrats Alena Buyx der F.A.Z.

          Noch zu Beginn des Jahres 2021 war erwartet worden, dass eine Impfquote von 70 Prozent der Erwachsenen ausreichen könnte. Doch das hat sich im Laufe dieses Jahres rasch geändert. Gegen die Delta-Variante und gegen Omikron müssen mindestens 90 Prozent der Erwachsenen geimpft sein, wovon Deutschland weit entfernt ist. Hinzu kommt die Furcht vor weiteren Impfdurchbrüchen. All das fließt in die Ausführungen des Ethikrates ein.

          Er unterstreicht deshalb die dynamische Entwicklung der Pandemie, den sich kontinuierlich verändernden Wissensstand, der eine konsequente Revision der Empfehlungen und zur Folge haben kann. Es beginnt schon damit, dass eine einfache oder zweifache Impfpflicht nicht ausreicht, sondern es nach dem derzeitigen Kenntnisstand mindestens drei Impfungen sein müssen, doch schon bald könnte eine vierte nötig werden.

          Gute Begründungen der politisch Verantwortlichen

          Der Ethikrat betont, dass eine gesetzliche Impfpflicht stets eine erhebliche Beeinträchtigung rechtlich und moralisch geschützter Güter darstellt. Ihre Ausweitung ist aus seiner Sicht nur dann zu rechtfertigen, wenn sie gravierende negative Folgen möglicher künftiger Pandemiewellen wie eine hohe Sterblichkeit, langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen signifikanter Teile der Bevölkerung oder einen drohenden Kollaps des Gesundheitssystems abzuschwächen oder zu verhindern vermag. Und wenn sie mittel- und langfristig dazu beiträgt, weitergehende Eingriffe in Grundrechte durch Schutzmaßnahmen zu vermeiden, die bei hoher Impfquote nicht nötig wären (Reiseverbote, Ausgangssperren, Auftrittsverbote, Quarantäne, Gefährdungen der beruflichen Existenz etc.).

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