Dienstreisen und Coronavirus : „Man kann keinen Mitarbeiter zwingen, nach Wuhan zu fliegen“
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In welche Teile Asiens dürfen Chefs ihre Mitarbeiter noch schicken? Bild: dpa
Die ersten deutschen Coronavirus-Fälle sind im dienstlichen Kontext entstanden. Was gilt für Geschäftskontakte mit Chinesen? Was können Chefs verlangen? Rechtsanwalt Andreas Lutz klärt die wichtigsten Fragen.
Herr Lutz, viele Arbeitnehmer, die mit China zu tun haben, fürchten sich aktuell vor Dienstreisen dorthin. Können Chefs sie zwingen, zu fliegen oder dürfen sie nein sagen?

Redakteurin in der Wirtschaft, zuständig für „Beruf und Chance“.
Eine Dienstreise ist – rechtlich gesehen – das Ausführen einer Anordnung des Arbeitgebers. Wenn wir einmal unterstellen, dass der Arbeitgeber überhaupt im Moment eine solche Anordnung ausspricht, dann gäbe es theoretisch schon das Risiko, dass dem Arbeitnehmer Arbeitsverweigerung vorgeworfen wird, wenn er nicht fliegt. Das kann Konsequenzen haben bis hin zur Abmahnung und Kündigung.
Klingt hart!
Und ist auch nur ein Teil des Bildes. Denn wenn sich Arbeitnehmer vor Gericht dagegen wehren würden, hätten sie sehr gute Chancen mit dem Argument, dass der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht nicht erfüllt hat. Jedenfalls dann, wenn es darum geht, dass die betreffende Person nach Wuhan oder die Provinz Hubei reisen sollte. Für diese Gebiete gilt nämlich seit Dienstag eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Ich würde mich so weit aus dem Fenster lehnen, zu sagen: Das Interesse des Arbeitnehmers, eine solche Dienstreise derzeit nicht anzutreten, wird überwiegen. Kurz: Man kann keinen Mitarbeiter zwingen, nach Wuhan zu fliegen.
Aber für Reisen generell nach China können Beschäftigte nicht so argumentieren?
Das ist schon schwieriger. Weil es eben eine Interessenabwägung zwischen Arbeitgeberinteresse und Fürsorgepflicht ist. In Wuhan und der Provinz Hubei müsste man sagen: Das Ansteckungsrisiko ist hoch und das Gesundheitsrisiko ist hoch. Es ist eben nicht ein einfacher Schnupfen, sondern es sind schon viele Menschen an den Folgen des Coronavirus gestorben. Außerhalb dieses Gebietes dagegen ist die Ansteckungsgefahr und damit das Risiko, das mit einer Reise verbunden ist, deutlich geringer. Eine Reise nach Peking könnte ein Chef also durchaus anordnen.
Was ist mit Airline-Mitarbeitern? Für die sind Flüge in die betroffenen Gebiete ja keine Dienstreisen sondern normaler Teil der Arbeit?
In Sachen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers macht das keinen Unterschied. Aber die Frage ist ohnehin sehr theoretisch, weil die meisten Fluglinien ihre Flüge in die betroffenen Gebiete eingestellt haben.
Was gilt für Besuche chinesischer Geschäftspartner? Können deutsche Arbeitnehmer verweigern, sie hier in Deutschland zu treffen? Oder an gemeinsamen Veranstaltungen teilzunehmen?
Auch das wird man stark danach entscheiden müssen, aus welcher Region genau die chinesischen Gäste kommen. Nur China reicht da nicht als Grund, dem Arbeitsplatz fernzubleiben. Wenn die Gäste dagegen aus Wuhan oder Umgebung kommen, gebietet es die Fürsorgepflicht des Vorgesetzten, die deutschen Mitarbeiter nicht zu zwingen, sich mit diesen Gästen in einen Raum zu setzen.
Das Unternehmen Webasto, wo sich deutsche Arbeitnehmer bei einer chinesischen Besucherin angesteckt haben, hat seiner Belegschaft jetzt Home-Office gewährt. Ein guter Weg?
Auf jeden Fall. Generell muss die Interessenabwägung in einer digitalisierten Zeit anders ablaufen als noch vor 15 Jahren. Viele Dienstreisen lassen sich vorübergehend durch E-Mail-Absprachen und Videokonferenzen ersetzen.