Mindestens zehn Infizierte : Bundesregierung richtet Krisenstab wegen Corona ein
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Gesundheitsminister Spahn (CDU), Innenminister Seehofer (CSU) am Donnerstag in Berlin Bild: AFP
Mittlerweile drohe auch in Deutschland die Ausbreitung der Corona-Epidemie, befürchtet Gesundheitsminister Spahn. Der Erkrankte aus Nordrhein-Westfalen stand in Kontakt mit vielen Personen. Man wisse nicht, wo er sich angesteckt hat, sagte NRW-Gesundheitsminister Laumann.
Die Bundesregierung stellt die Bevölkerung in Deutschland auf eine flächendeckende Verbreitung des Coronavirus ein. Es müsse damit gerechnet werden, dass sich die Epidemie auch hierzulande ausbreite, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag in Berlin. Bundesinnenminister Horst Seehofer erklärte, nach dem Auftreten des Virus in Europa und in Deutschland habe sich „die Lage deutlich verschärft“. Beide Ministerien richteten einen gemeinsamen Krisenstab ein.
Seehofer betonte, die Regierung werde alles „Menschenmögliche“ zum Schutz der Bevölkerung tun. Eine Garantie dafür gebe es aber nicht. Es gehe vor allem darum, die Infektionsketten in und nach Deutschland zu unterbrechen, sagte der Innenminister. Spahn forderte Reisende, die aus China, Südkorea, Japan, Iran und Italien nach Deutschland zurückkehrten, dazu auf, den Behörden umgehend ihren Aufenthaltsort zu melden.
Nach mindestens zehn neuen Coronavirus-Nachweisen in Deutschland erwarten Experten weitere Fälle von Sars-CoV-2. In mehreren Bundesländern wird intensiv nach möglichen Infizierten gesucht. In Nordrhein-Westfalen gebe es fünf Fälle, in Baden-Württemberg gibt es laut den Gesundheitsbehörden vier Infizierte. In Rheinland-Pfalz ist ein Bundeswehrsoldat erkrankt.
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte in einem WDR2-Interview, dass man noch nicht „Patient Null“ kenne, an dem sich ein schwer erkrankter Mann mit dem Coronavirus angesteckt hat. Man gehe davon aus, dass der 47-Jährige der erste Patient der bekannten Infektionskette sei. Wo und bei wem sich der Mann allerdings angesteckt habe, sei unklar. Wegen seines Zustands habe man ihn das auch noch nicht fragen können. Laumann sagte, dass der 47 Jahre alte Mann in seinem Beruf viele Kontakte habe – auch jenseits von NRW. Seine Ehefrau ist ebenfalls infiziert.
Im ZDF-„Morgenmagazin“ sagte Laumann am Donnerstag, dass alle Neuinfektionen in Nordrhein-Westfalen in einem direkten Zusammenhang mit Kontakten zu dem zuerst erkrankten Ehepaar stünden. Bei den Erkrankten handle es sich um „Büroangestellte und Nachbarn aus dem Umfeld“, sagte Laumann am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Ins Visier rückt nun aber auch eine Karnevalssitzung, die das Paar besuchte.
Auch der Bundeswehrsoldat der Flugbereitschaft, der positiv auf das Virus getestet wurde, habe Kontakt mit den Ersterkrankten gehabt. Derzeit sei das Umfeld der neuen Infektionen klar auf den Kreis Heinsberg beschränkt. Eine Abriegelung einzelner Orte sei nicht die richtige Maßnahme, sagte Laumann.
Der nächste Schritt sei, die Teilnehmer der Karnevalssitzung zu ermitteln, an der das Ehepaar teilgenommen hatte. Laumann kündigte an, mit Virologen über einen möglichen Test aller Teilnehmer zu sprechen. „Wir müssen jeden Tag die Maßnahmen der Lage anpassen“, sagte er.
Die erkrankte Ehefrau arbeitet in einem Kindergarten. Im Laufe des Tages sollen die Testergebnisse der dort betreuten Kinder vorliegen. Alle Kinder befinden sich nach Angaben Laumanns in Quarantäne. Die eigenen Kinder des Ehepaars seien wohlauf.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Mittwochabend gesagt: „Die Infektionsketten sind teilweise – und das ist die neue Qualität – nicht nachzuvollziehen.“ Er komme „immer mehr zu der Überzeugung, die Wahrscheinlichkeit, dass diese Epidemie an Deutschland vorbeigeht, wird sich nicht erfüllen und nicht ergeben“, sagte der CDU-Politiker.
Zahlreiche Tote in Italien und Iran
Wegen des Verdachts auf eine Covid-19-Erkrankung bei einem Reisenden war am Mittwoch ein Regionalzug von Frankfurt nach Saarbrücken vorübergehend gestoppt worden. Der Mann, der von einer Italien-Geschäftsreise zurückgekehrt war, habe Symptome festgestellt, teilte das rheinland-pfälzische Gesundheitsministeriums mit. Der im Saarland wohnende Fahrgast wurde zur weiteren Klärung in ein Krankenhaus der Region gebracht.
In Deutschland waren vor mehr als zwei Wochen insgesamt 16 Sars-CoV-2-Infektionen gemeldet geworden, die nicht zu weiteren bekannten Ansteckungen geführt haben.
In China stieg die Zahl erfasster Infektionen auf rund 78.500, die Zahl der Toten lag in der offiziellen Statistik für Festlandchina bei 2744. Seit einer neuerlichen Änderung der Zählweise vergangene Woche hat sich der täglich berichtete Anstieg der neuen Infektionen mit dem Virus und der Todesfälle in der Statistik Chinas deutlich reduziert. Beides wird von amtlichen Stellen gerne zitiert, wenn dazu aufgerufen wird, an anderen Orten des Landes zur Normalität zurückzukehren und die Produktion wieder aufzunehmen. Experten gehen aber von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.
In Italien gab es offiziellen Zahlen zufolge 452 Infizierte. Zwölf Personen starben mittlerweile an dem Virus. In der Lombardei gab es den größten Ausbruch Europas. Selbst der Regionalpräsident der Lombardei, Attilio Fontana, begab sich in Quarantäne. Er habe mit einer Infizierten eng zusammengearbeitet, teilte er am Mittwochabend auf Facebook an.
In Dänemark gab es einen ersten Fall einer am Coronavirus erkrankten Person. Das teilten die dänische Gesundheitsbehörde und der Fernsehsender TV2 am Donnerstagmorgen mit. Demnach handelt es sich um einen Mitarbeiter des Senders, der am Montag aus dem Skiurlaub in Norditalien zurückgekehrt ist. Auch aus weiteren europäischen Ländern wurden erste Fälle gemeldet, darunter Norwegen, Estland und Rumänien.
In Iran sind nach Angaben der Behörden 22 Personen an dem Virus gestorben. Die Zahl der erfassten Infektionen liege demnach bei 141, darunter auch der stellvertretende Gesundheitsminister.
Hotlines zum Coronavirus
Bürgern, die sich über das Coronavirus und eine mögliche Ansteckungsgefahr informieren wollen, empfiehlt das Bundesgesundheitsministerium folgende Anlaufstellen:
Unabhängige Patientenberatung Deutschland - 0800 011 77 22
Einheitliche Behördenrufnummer - 115 (www.115.de)
Bundesministerium für Gesundheit (Bürgertelefon) - 030 346 465 100