Ambiente und das Coronavirus : Absage von 37 Ausstellern aus China
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Reine Vorsichtsmaßnahme: Nur wenige Aussteller auf der Konsumgütermesser Ambiente tragen Masken. Bild: Francois Klein
Auf der Messe Ambiente geht es um Dinge, die das Leben schöner machen. Mundschutz und Desinfektionsmittel gehören nicht dazu – und spielen dennoch eine große Rolle.
Wu Xiaomei lächelt. Sie lächelt, als ein Kamerateam ungefragt das Firmenlogo ihres Standes filmt, sie lächelt, als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ihr und ihrem Kollegen einen kurzen Routinebesuch abstatten, und sie lächelt selbst dann noch, als die ersten Besucher an ihrem Stand stehen bleiben, um ein Foto von sich und dem Firmenlogo zu machen. Dabei haben sich Wu Xiaomei und ihr Kollege die größte Mühe gegeben, nicht aufzufallen. Das Licht, in dem sie ihre Ware präsentieren, ist so hell, dass die Augen nicht auf den Produkten verweilen wollen. Rückenkratzer, Blechschilder, Kuscheltiere und Schlüsselanhänger werden hier angeboten. Kurzum: Nippes. Dass trotzdem viele Besucher der Konsumgütermesse Ambiente ausgerechnet an diesem Stand innehalten, hat etwas mit dem Firmennamen zu tun. „Wuhan Wei & Wen“ steht da in großen Lettern geschrieben.
Vier Unternehmen aus der vom Coronavirus am stärksten betroffenen Region Hubei haben sich für die Ambiente angemeldet. Aber nur die Firma „Wuhan Wei & Wen“ trägt den Namen der Stadt im Firmenlogo, die gerade für den Ausnahmezustand steht. Wu Xiaomei beeilt sich zu versichern, dass sie selbst aus einer ganz anderen Provinz in China stamme und obendrein kerngesund sei. Wieder lächelt sie. Mundschutz trägt sie keinen. Der sei im Gespräch mit den Kunden einfach nicht förderlich. Die lassen wenige Stunden nach Messeeröffnung ohnehin noch auf sich warten. „Vielleicht liegt das am Firmennamen. Wir sollten uns Gedanken machen, den zu ändern“, sagt sie – und zum ersten Mal ist ihr Gesichtsausdruck ernst.
Die Messegesellschaft hat auf die im Vorfeld von Besuchern und Ausstellern geäußerte Befürchtung, das Coronavirus könne sich auf der internationalen Konsumgütermesse leicht ausbreiten, mit zahlreichen Maßnahmen reagiert. Schon im Eingangsbereich steht der erste Desinfektionsmittelspender, viele weitere finden sich über das Messegelände verteilt. Die Warteschlange vor jedem einzelnen ist mitunter lang, der soziale Druck, sich einzureihen, scheint größer als die Faulheit, es nicht zu tun. Außerdem werden Flächen, die häufig berührt werden, etwa Aufzugknöpfe oder Treppengeländer, vermehrt gereinigt. Die Messe hat zudem eine Info-Hotline für besorgte Aussteller, Bürger und Besucher eingerichtet. Am Eröffnungsmorgen habe es nur zwei Anrufe gegeben, teilte ein Messe-Sprecher mit.
Frankfurter Gesundheitsamt gibt Entwarnung
Von den 4600 Ausstellern der Ambiente hatten sich nach Angaben der Messe 644 aus China angemeldet, 37 mussten ihre Teilnahme kurzfristig wieder zurückziehen. Das entspricht etwa fünf Prozent der chinesischen Aussteller. Das Gesundheitsamt Frankfurt hatte vor wenigen Tagen das gesundheitliche Risiko für die Bevölkerung aufgrund der Durchführung der Messe als „nicht relevant“ eingestuft. Die Ambiente abzusagen, wäre ein falsches Signal gewesen, sagte ein Sprecher des Amtes. Eine Entscheidung, die auch Kritik nach sich zog. Denn zur Messe werden auch immer zahlreiche Besucher aus China erwartet. Etwa 5000 waren es allein im vergangenen Jahr. Viele fürchten, dass die Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken, steigen könnte.
Hessens Sozialminister Kai Klose (Die Grünen) mahnte hingegen zu Besonnenheit. Berichte über diskriminierendes Verhalten gegenüber Menschen mit asiatischem Aussehen hätten sich in den vergangenen Tagen gehäuft, sagte er. „Das Coronavirus ist kein Anlass zur Panik. Deshalb sollten wir unser eigenes Verhalten ständig überprüfen. Das Virus darf erst recht nicht als Vorwand dazu dienen, Menschen mit asiatischem Erscheinungsbild zu diskriminieren.“
Keine Panik auf dem Messegelände
Auf dem Messegelände selbst ist am Freitag von Panik wenig zu spüren. Professionelle Geschäftigkeit scheint das Gefühl der Unsicherheit zu überlagern. Nur vereinzelt sieht man Besucher mit Mundschutz. Dafür haben viele ihre eigenen Desinfektionsmittel dabei. Tücher und Sprays, oft im kompakten Handtaschenformat. Im Drogeriemarkt in direkter Messenähe finden diese Produkte am ersten Messetag reißenden Absatz. Mundschutz gibt es keinen mehr zu kaufen.
In Halle zehn haben einige Händler aus Asien ihre Stände bezogen, darunter auch das aus Wuhan stammende Unternehmen Hothome. Am Stand stehen zwei Frauen aus Belgien. Sie seien erst in der vergangenen Woche von dem chinesischen Partnerkonzern angefragt worden, die Aufgabe zu übernehmen, erzählen sie. Das Warensortiment sei wesentlich überschaubarer als geplant. Die beiden Mitarbeiterinnen können nur eine kleine Auswahl Einkaufsnetze präsentieren. Die restliche Ware, darunter Kochschürzen, stecke noch in Wuhan fest, erzählen sie.
Zwei Stockwerke tiefer hätte eine dritte Firma aus Wuhan ausstellen sollen. Doch niemand ist angereist. „Dieser vermietete Stand wurde nicht belegt“, so steht es auf einem kleinen Schild. Ein paar Stände weiter beäugt ein junger Mann diejenigen kritisch, die ratlos vor der leeren Fläche verharren. Er ist einer der wenigen Aussteller, die an diesem Tag einen Mundschutz tragen. Nicht, weil er persönlich Angst vor dem Coronavirus habe, wie er sich zu versichern beeilt. Eher, weil seine Freundin ihn darum gebeten habe. „Die Frauen“, sagt er und lacht dabei. Seine Partnerin befürchte, er könne sich im Kundengespräch anstecken. Und irgendwie könne er ihre Ängste verstehen. Schließlich exportiere sein Arbeitgeber, ein Unternehmen, das sich auf Küchenware spezialisiert hat, hauptsächlich in den asiatischen Raum. Er müsse in den kommenden Tagen viel mit Einkäufern aus China sprechen. „Sicher ist sicher“, sagt er und rückt sich den verrutschten Mundschutz wieder zurecht.
Die Messe hat unter der Telefonnummer 069 75 753 335 eine Hotline eingerichtet, um Ausstellern, Besuchern und Bürgern Fragen rund um das Coronavirus zu beantworten.