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Umfrage zu seelischem Befinden : Lockdown verstärkt Depressionen

44 Prozent der Befragten, die an Depressionen leiden, gaben an, ihre Krankheit habe sich in den vergangenen sechs Monaten verschlechtert, oder sie hätten einen Rückfall in eine akute depressive Phase erlebt. Bild: dpa

Die Stimmung sinkt: 71 Prozent der befragten Bundesbürger gaben in einer Umfrage der Stiftung Deutsche Depressionshilfe an, die Situation im zweiten Lockdown als bedrückend zu empfinden.

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          Immer mehr Deutsche fühlen sich durch die Corona-Krise und die mit ihr verbundenen Einschränkungen belastet. Bei einer Umfrage der Stiftung Deutsche Depressionshilfe im Februar unter mehr als 5000 zufällig ausgewählten Bundesbürgern zwischen 18 und 69 Jahren gaben 71 Prozent der Befragten an, die Situation im zweiten Lockdown als bedrückend zu empfinden. Im ersten Lockdown waren es 59 Prozent, im Sommer 36 Prozent. Diese Ergebnisse der Sondererhebung des „Deutschland-Barometers Depression“, einer seit 2017 jährlich durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsumfrage, stellte die Stiftung mit Sitz in Leipzig am Dienstag vor.

          Eva Schläfer
          Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          44 Prozent der Befragten, die an Depressionen leiden, gaben an, ihre Krankheit habe sich in den vergangenen sechs Monaten verschlechtert, oder sie hätten einen Rückfall in eine akute depressive Phase erlebt. Auch von Suizidversuchen wurde berichtet. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, nannte als einen Grund dafür Veränderungen in den Alltagsstrukturen wie fehlende soziale Kontakte, zu wenig Bewegung oder ein verändertes Schlafverhalten. Für depressiv Erkrankte sei ein geregelter Tagesablauf wichtig, um der Antriebslosigkeit entgegenzuwirken. Zudem wies Hegerl darauf hin, dass die Corona-Maßnahmen weiterhin zu Einschnitten in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen führten. Gut ein Fünftel der an Depressionen erkrankten Befragten berichteten von ausgefallenen Facharztterminen, 18 Prozent von abgesagten Sitzungen bei Psychotherapeuten. Hegerl monierte, die Politik wäge seiner Ansicht nach nicht ausreichend ab, wie viel Leid und Tod durch die Maßnahmen einerseits verhindert, aber andererseits auch verursacht werde. „Vor- und Nachteile werden nicht ausreichend diskutiert und erst recht nicht systematisch erfasst.“

          22 Prozent der Menschen in einer akuten Krankheitsphase gaben an, keinen Behandlungstermin zu bekommen. Den Mangel an Behandlungsplätzen speziell für gesetzlich Versicherte bestätigen auch die Psychotherapeuten. Nach einer Umfrage ihrer Vereinigung unter mehr als 4600 Mitgliedern lag die Zahl der Patientenanfragen im Januar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 40 Prozent höher. Nur zehn Prozent der Patienten konnte innerhalb eines Monats ein Behandlungsplatz angeboten werden. 38 Prozent von ihnen warteten länger als ein halbes Jahr.

          Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert daher, dass gesetzliche Krankenkassen ihren Versicherten in diesem Jahr die Kosten einer Therapie auch dann erstatten sollten, wenn sie eine Privatpraxis aufsuchen. Der Kammer-Präsident Dietrich Munz geht von einer Zahl von 6500 privat abrechnenden Psychotherapeuten aus; ihre genaue Zahl wird nicht zentral erhoben. Sie ergänzen die mehr als 34000 niedergelassenen Psychotherapeuten.


          Hilfe bei Suizidgedanken

          Wenn Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie – auch anonym – mit anderen Menschen über Ihre Gedanken sprechen können.

          Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.

          Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222.
          Der Anruf bei der Telefonseelsorge ist nicht nur kostenfrei, er taucht auch nicht auf der Telefonrechnung auf, ebenso nicht im Einzelverbindungsnachweis.

          Ebenfalls von der Telefonseelsorge kommt das Angebot eines Hilfe-Chats. Die Anmeldung erfolgt auf der Website der Telefonseelsorge. Den Chatraum kann man auch ohne vereinbarten Termin betreten. Sollte kein Berater frei sein, klappt es in jedem Fall mit einem gebuchten Termin.

          Das dritte Angebot der Telefonseelsorge ist die Möglichkeit der E-Mail-Beratung. Auf der Seite der Telefonseelsorge melden Sie sich an und können Ihre Nachrichten schreiben und Antworten der Berater lesen. So taucht der E-Mail-Verkehr nicht in Ihren normalen Postfächern auf.

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