Lateinamerika und das Virus : Wem hilft die „Armee der weißen Kittel“?
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Begehrt: Ärzte aus Kuba beobachten einen Eingriff während einer Trainingseinheit in einer Klinik in Brasilia (Archivbild). Bild: dpa
Italien setzt im Kampf gegen die Corona-Epidemie auf Fachkräfte aus Kuba und Venezuela. Doch Lateinamerika könnte die bald ebenso dringend benötigen. Das Virus ist dort nicht die erste Geißel.
Geht es nach dem Willen des lombardischen Gesundheitsministers Giulio Gallera, sollen in der Lombardei kubanische Ärzte, Pfleger und Spezialisten im Kampf gegen die Coronavirus-Epidemie eingesetzt werden. Die kubanische Botschaft in Rom hat ein entsprechendes Gesuch bestätigt und an Havanna weitergeleitet. Zusätzlich zu medizinischem Personal könnte Kuba auch das in China bereits erfolgreich bei Coronavirus-Infizierten eingesetzte Medikament „Interferone Alfa 2B“ in die Lombardei schicken. Einen Zeitpunkt für das Eintreffen der medizinischen Hilfe aus Kuba nannte die Botschaft nicht. Kuba ist für seine „Armee der weißen Kittel“ bekannt, die beispielsweise während der Ebola-Epidemie mit Hunderten Fachkräften in Afrika in Einsatz standen. Über 90.000 Ärzte zählt das Land mit seinen knapp zwölf Millionen Einwohnern. Davon können andere Länder Lateinamerikas nur träumen.

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Der Überfluss an Fachkräften hat die Entsendung von Ärzten in Ausland zu einem einträglichen Geschäft gemacht, der dem Land jedes Jahr rund viermal so viel wie der Tourismus einbringt. Mit über dreißig Ländern hat Kuba Abkommen. Die Nachfrage kommt allerdings überwiegend aus Afrika und Lateinamerika – und nimmt mit der Corona-Epidemie wieder zu. Anders als im Fall Kuba geht es bei dem von Gallera ebenfalls angedeuteten möglichen Einsatz venezolanischer Ärzte in der Lombardei nicht um ein offizielles Ersuchen an die Regierung in Caracas. Vielmehr sollen Venezolaner mit medizinischer Ausbildung, die ihre Heimat bereits verlassen haben und etwa in Italien im Exil leben, über private Initiativen zum Hilfsdienst in die Lombardei gebracht werden. Dort könnten sie sofort tätig werden, ohne dass zuvor ihre Ausbildung oder Approbation erst von den entsprechenden italienischen Instanzen anerkannt worden sei.
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Venezuelas Gesundheitswesen hat keine Kapazitäten für einen Ärzteexport, sondern ist bereits vor einiger Zeit kollabiert. Den öffentlichen Krankenhäusern des Landes fehlt es an Medikamenten und Ausrüstung, viele Fachkräfte sind abgewandert. Eine Reihe von Krankheiten, die eigentlich kontrollierbar sind, verzeichnen in Venezuela eine Zunahme. Die Kindersterblichkeit steigt seit Jahren an. Transparente und offizielle Daten gibt es nicht. 2016 informierte die damalige Gesundheitsministerin über einen Anstieg der Kindersterblichkeit um 30 Prozent und der Müttersterblichkeit um 65 Prozent. Sie wurde gefeuert. Seither veröffentlicht die Regierung in Caracas keine epidemiologischen Berichte mehr, wobei unklar ist, ob die Daten überhaupt erfasst oder einfach nur unterdrückt werden.
Nach anfänglichem Zögern hat auch Venezuela die ersten Fälle mit Coronavirus bekanntgegeben. Die Zahl steigt rasant an, auch ein erstes Todesopfer ist zu beklagen. Die Regierung hat inzwischen den Notstand ausgerufen und die Bevölkerung zu einer „kollektiven Quarantäne“ aufgefordert. Was die Verbreitung des Virus für das Land bedeutet, in dem sogar in Krankenhäusern das Händewaschen zum Problem geworden ist, ist nicht auszudenken. Hygieneartikel sind für viele Venezolaner kaum erschwinglich. Zudem kommt es vielerorts regelmäßig zu längeren Unterbrüchen bei der Wasserversorgung. Fachleute befürchten, dass sich das Virus in Venezuela rascher verbreiten wird als anderswo und das Land zu einem regionalen Virenherd machen könnte.
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