Heinsberg-Studie vorgestellt : Lockerung von Einschränkungen wegen Corona möglich
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Virologe Hendrik Streeck Ende März in Heinsberg Bild: dpa
Eine Studie zur Verbreitung von Covid-19 im besonders betroffenen Kreis Heinsberg zeigt dem Virologen Hendrik Streeck zufolge, dass die Einschränkungen gelockert werden können. Wichtig sei allerdings, dass hygienische Verhaltensweisen weiterhin eingehalten würden.
Virologe Hendrik Streeck hält eine beginnende Lockerung der strengen Auflagen im Zuge der Coronavirus-Pandemie für möglich. Weil die meisten Menschen „so aktiv und diszipliniert“ mitmachten, sei es jetzt möglich, in eine „Phase zwei“ einzutreten, sagte Streeck am Donnerstag. Wichtig sei allerdings, dass hygienische Verhaltensweisen weiterhin eingehalten würden. „Wir haben gelernt, wie wir uns hygienisch richtig verhalten“, sagte Streeck.
Der Wissenschaftler von der Uni Bonn untersucht im Auftrag der NRW-Landesregierung, wie sich das Coronavirus im besonders betroffenen Kreis Heinsberg ausgebreitet hat. Mittlerweile gibt es einen ersten Zwischenbericht.
In der besonders vom Coronavirus betroffenen Gemeinde Gangelt ist der Studie zufolge bei 15 Prozent der untersuchten Bürger eine Infektion nachgewiesen worden. Bei diesen ersten, aber wissenschaftlich schon repräsentativen Zwischenergebnissen handele es sich um eine eher konservative Berechnung, sagte der Virologe. Demnach hätten nun 15 Prozent der Bürger in der Gemeinde auch eine Immunität gegen das Virus ausgebildet.
Die Wahrscheinlichkeit, an der Krankheit zu sterben, liege dort bezogen auf die Gesamtzahl der Infizierten bei 0,37 Prozent. Die in Deutschland derzeit von der amerikanischen Johns Hopkins University berechnete entsprechende Rate betrage 1,98 Prozent und liege damit um das Fünffache höher, sagte Streeck.
Der Landrat des Kreises Heinsberg Stephan Pusch (CDU) sagte, die restriktiven Schutzmaßnahmen zeigten Wirkung. Die Kurve der Infektionszahlen flache ab. „Der Kreis Heinsberg ist an einer riesengroßen Katastrophe vorbei geschlittert.“ Hygiene-Professor Martin Exner sagte, dass Bewohner von Alten- und Pflegeheimen weiter streng geschützt werden müssten. In bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens könne man unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln die Auflagen zwar „kontrolliert zurückfahren.“ Aber in Alten- und Pflegeheimen müsse weiterhin eine „restriktive Politik“ aufrechterhalten werden.
Es sei „nicht auszuschließen, dass eine längere Zeit der Abstinenz zu den besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen aufrechterhalten werden muss“, sagte Exner in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Hendrik Streeck. Das Tragen eines Mundschutzes sei in Altenheimen ganz besonders wichtig. Daher seien besonders in diesem Bereich Investitionen in Schutzmaterial notwendig. Er hielt es auch für möglich, Abiturprüfungen abzuhalten, wenn Abstand und Hygiene-Maßnahmen eingehalten würden.
Exner unterstrich die Bedeutung von Hygienemaßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus. Das Virus könne über einen langen Zeitraum auch auf Flächen überleben. Um eine Corona-Infektion auszulösen, müsse das Virus aber in die Schleimhäute gelangen – etwa über Mund oder Augen. Gründliches Waschen der Hände mit Seife löse die Viren gut ab und könne sie „inaktivieren“, sagte der Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit. Es klinge banal, sei aber wichtig, solche Hygiene-Maßnahmen zu trainieren. Hauptsächlich werde das Virus aber durch Tröpfcheninfektion übertragen – etwa durch Husten. Deshalb sei das Tragen von Mundschutz in Krankenhäusern unerlässlich.
Auch Gunther Hartmann, Professor für Klinische Chemie und Pharmakologie an der Universität Bonn, berichtete, nach ersten vorsichtigen Einschätzungen sei davon auszugehen, dass der Schweregrad der Erkrankung über Hygienemaßnahmen reduziert werden könnte. „Die Zahl der Erreger hat bei Erstinfektionen Einfluss auf den Schweregrad der Erkrankung.“ Derzeit sei davon ausgehen, dass die Immunität nach einer Coronavirus-Infektion etwa sechs bis 18 Monate anhalte.