Lothar Wieler: „Die neueste Entwicklung der Fallzahlen macht mir und allen im Robert-Koch-Institut große Sorgen.“ (Archivbild) Bild: EPA
In Deutschland sind zuletzt wieder steigende Fallzahlen bei den Corona-Neuinfektionen gemeldet worden. RKI-Präsident Lothar Wieler warnt: „Wir sind mitten in einer sich rasant entwickelnden Pandemie.“
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Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen in Deutschland hat sich das Robert-Koch-Institut (RKI) alarmiert gezeigt. „Die neueste Entwicklung der Fallzahlen macht mir und allen im Robert-Koch-Institut große Sorgen“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Dienstag in Berlin vor Journalisten. „Wir sind mitten in einer sich rasant entwickelnden Pandemie“, warnte er. „Wir müssen verhindern, dass das Virus sich wieder rasant und unkontrolliert ausbreitet.“
In Deutschland seien von den Gesundheitsämtern in den vergangenen sieben Tagen 3611 Neuinfektionen gemeldet worden, allein am Montag waren es 633. Anfang Juli habe die Zahl der täglich übermittelten Fälle noch zwischen 300 und 500 gelegen. Diese Zahlen zeigten, dass das Virus eingedämmt werden könne. „Dafür müssen aber die AHA-Regeln eingehalten werden“, mahnte Wieler mehrfach. AHA steht für „Abstand, Hygiene, Alltagsmasken“. Diese müsse man noch monatelang einhalten, gleiches gelte für Konzepte in Betrieben.
Wieler: „Sind nachlässig geworden“
Wie Ute Rexroth vom RKI berichtete, könnten die Ansteckungsorte „wirklich überall“ sein. Berichtet würde von Infektionen bei Familienfeiern, Hochzeiten, Treffen mit Freunden, es gebe aber auch Ausbrüche am Arbeitsplatz, in Gemeinschaftsunterkünften und Pflegeeinrichtungen. Zwar seien auch Reiserückkehrer betroffen, die Mehrzahl habe sich jedoch in Deutschland angesteckt. Ein Anstieg könne schnell gehen, warnte Rexroth. „Prävention ist auf jeden Fall besser als Reaktion. Bei Covid-19 läuft man den Ausbrüchen hinterher. Man kann gar nicht alle Fälle einfangen, so eifrig man auch ist.“
Ob der Anstieg bei den Fallzahlen in den vergangenen Tagen der Beginn einer möglichen zweiten Welle ist, wisse man nicht, sagte Wieler. „Er kann es natürlich sein.“ Der Anstieg zeige, „dass wir nachlässig geworden sind“. Zu Tausenden Partys zu feiern, sei „rücksichtslos“ und auch „fahrlässig“, sagte er. Und auch im Urlaub sei vernünftiges Verhalten gefragt.
„Aerosole sind in Minuten überall“: Ein Forscher über das Infektionsrisiko.
Hinsichtlich der geplanten Rückkehr zum Regelbetrieb an Schulen nach den Sommerferien sagte Wieler, die Öffnung der Schulen sei wichtig, allerdings unter bestimmten Regeln. „Wir erwarten bestimmte epidemiologische Konzepte.“ Zum Beispiel dürften sich die Schüler in den Pausen und auf dem Schulweg nicht zu sehr vermischen, stattdessen müsse man „Einheiten“ bilden und planbare Maßnahmen wie schnelle Testungen im Verdachtsfall vor Schulbeginn umsetzen.
Weltweit seien seit Beginn der Pandemie 16,2 Millionen Fälle und 650.000 Todesfälle gemeldet worden, fasste RKI-Präsident Wieler zusammen. Die Zahl der täglich neu gemeldeten Fälle nehme „stark“ zu. Mehr als die Hälfte der Meldungen über Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen stamme aus Nord- und Südamerika, in Europa vor allem aus den Balkanländern. Wieler wies darauf hin, dass einige Länder, in denen die Pandemie bereits überwunden schien, ebenfalls wieder steigende Fallzahlen vermeldeten. Als Grund nannte der RKI-Präsident, dass individuelle Schutzmaßnahmen nicht mehr ausreichend befolgt würden. In der Folge würden weltweit vermehrt wieder lokale Beschränkungen erlassen. Als Beispiele nannte er eine Verschärfung der Maskenpflicht in Österreich.