Corona in Iran : Sie können es nicht mehr verheimlichen
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Iranische Feuerwehrleute desinfizieren am Mittwoch Straßen in Teheran, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. Bild: EPA
In Iran sterben täglich 30 bis 40 Menschen am Coronavirus. Teheran verhängt drastische Reisebeschränkungen. Religiöse Zentren bleiben unangetastet. Das untergräbt das Vertrauen in die Regierung weiter.
Zunächst hatte die iranische Führung über Wochen die Ausbreitung des Coronavirus in der Islamischen Republik verheimlicht. Weder sollten die Kundgebungen zum Jahrestag der Revolution am 11. Februar gefährdet werden, noch sollte das Virus zu einer niedrigen Beteiligung an der Parlamentswahl vom 21. Februar führen. Nun greift die Teheraner Regierung aber massiv durch.
Um eine Ausbreitung in den überfüllten Gefängnissen zu verhindern, hat sie 54.000 Gefangene freigelassen, angeblich vorübergehend. Zudem können die Iraner anlässlich des bevorstehenden iranischen Neujahrsfestes Nouruz am 21. März nur noch sehr eingeschränkt verreisen. Weder Hotels noch Private dürfen von nun an Zimmer an Reisende vermieten. Wer das dennoch tut, dem droht Bestrafung. Alle Flüge auf die beliebte Urlaubsinsel Kish im Persischen Golf fallen auf absehbare Zeit aus.
Eine Ansprache in Mashhad anlässlich von Nouruz hat Revolutionsführer Ali Chamenei abgesagt. Zu ihr waren viele Zuhörer erwartet worden. Abgesagt sind zudem die öffentlichen Freitagsgebete und verboten ist, sie privat abzuhalten. Für nichtreligiöse Iraner ist es eine Genugtuung, nun jene anzuzeigen, die das dennoch tun.
Das Virus werde in Iran in einem Monat seinen Höhepunkt erreichen, gab Gesundheitsminister Saeed Namaki zu Wochenbeginn bekannt. Die Erklärung sollte die Menschen offenbar beruhigen, nachdem in den vergangenen Tagen widersprüchliche Angaben für Unsicherheit gesorgt hatten. So hatte der Leiter des nationalen Forschungszentrums für Infektionskrankheiten, Masoud Mardani, erklärt, bis Nouruz würden sich 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung Teherans mit dem Coronavirus infiziert haben. Das würde bedeuten, dass es allein in Teheran bis zu 70.000 Virustote geben könnte. Am Tag danach schränkte Mardani seine Aussage allerdings ein. Klargestellt war aber, dass die Iraner in diesem Jahr auf ihren traditionellen Urlaub in der zweiten Märzhälfte verzichten müssen.
Höchste Alarmstufe in Gilan
Für Aufsehen hat ebenfalls die Aussage des Gesundheitsbeauftragten der Provinz Gilan am Kaspischen Meer, Mohammad Hossein Gorbani, gesorgt. Der sagte, allein in Gilan seien bereits 200 Menschen am Virus gestorben. Das waren zu dem Zeitpunkt mehr Tote, als die Regierung für ganz Iran angegeben hatte. Auch er musste seine Aussage jedoch korrigieren und sagte dann, die Zahl der Todesfälle beziehe sich nur auf Menschen, die in den vergangenen Tagen in Gilan generell an Atemwegserkrankungen gestorben seien. Gilan war in der Vergangenheit nicht für eine Gefährdung der Atemwege bekannt. Seit dem 4. März gilt dort die höchste Alarmstufe, die Zufahrtswege für Reisende aus anderen Provinzen wurden gesperrt. Der Gouverneur von Kaschan beziffert die Zahl der Coronatoten in seiner Provinz auf 80.
Wo der Staat nicht handelt, greifen private Initiativen ein. In vielen Städten haben sich private Bürgerwehren gebildet, die Autos mit stadtfremden Nummernschildern an der Einfahrt in ihre Stadtviertel hindern. Landesweit Aufsehen erregt hat ein Fall aus Kerman, einer Stadt im abgelegenen Osten Irans mit warmem Wüstenklima, in dem das Virus wohl kaum gedeihen kann. Dort wollten Geistliche aus Qom mit einem Auto zum Grabmal des zu Jahresbeginn getöteten Kommandeurs der Quds-Brigaden, Qassem Soleimani, fahren. Einheimische bewarfen das Auto jedoch mit Steinen und schlugen mit Stöcken auf das Fahrzeug, bis es umdrehte. Die Menschen der Stadt machen Pilger aus der religiösen Stadt Qom für die Verbreitung auch in ihrer Stadt verantwortlich.
Zwar stuft das Robert-Koch-Institut die Stadt Qom als Risikogebiet ein, die iranische Regierung hat sie jedoch nicht unter Quarantäne gestellt. In der den Schiiten heiligen Stadt ist das Virus zuerst aufgetreten. An ihren theologischen Seminaren studieren mehr als 600 Studenten aus China, von denen mutmaßlich einer das Virus eingeführt hat. Verantwortlich gemacht wird auch die iranische Fluggesellschaft Mahan, die ihre Passagierflüge nach China nicht eingestellt hat.