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Lungenarzt Cihan Çelik : „Es gibt kein Durchatmen“

„Eine Impfplicht für Risikogruppen wäre ein guter Kompromiss“: Cihan Çelik im September auf der Corona-Isolierstation im Klinikum Darmstadt Bild: Lucas Bäuml

Cihan Çelik behandelt weiter Covid-Kranke – und hält mittlerweile eine Impfpflicht für Risikogruppen für einen guten Kompromiss. Ein Interview über Omikron, die Endemie und das Zögern der Ständigen Impfkommission.

          7 Min.

          Herr Doktor Çelik, Sie sind Oberarzt auf der Isolierstation für Covid-19-Kranke im Klinikum Darmstadt; wir reden ja seit Mai 2020 regelmäßig über den Stand der Dinge. Gerade scheint es einen neuen wissenschaftlichen Tenor zu geben: Einem derart infektiösen Virus wie Omikron wird auf Dauer niemand entkommen. Lohnt es sich da als Geboosterter überhaupt noch, vorsichtig zu sein?

          Sebastian Eder
          Redakteur im Ressort „Gesellschaft & Stil“.

          So neu ist der Tenor nicht. Wir sprechen ja schon lange vom Ziel der Endemie – in der Immunisierte immer wieder mit dem Virus in Berührung kommen und sich ihren Immunschutz aufrechterhalten, ohne dass es zu schweren Verläufen kommt. Infektionsfälle werden dann nicht mehr dazu führen, dass eine Überlastung der Krankenhäuser droht. Aktuell reicht die Grundimmunität in der Bevölkerung aber wahrscheinlich noch nicht, um plötzlich eine sehr starke Viruszirkulation riskieren zu können. Deswegen ist es zu früh, um die Botschaft zu verbreiten, dass wir uns jetzt alle anstecken können. Ist man geboostert und kein Hochrisikopatient für diese Krankheit, braucht man in den nächsten Monaten persönlich keine große Angst vor einem schweren Verlauf zu haben. Da ist das Risiko äußerst gering. Trotzdem ist momentan jede vermiedene Infektion sehr sinnvoll für uns alle, da wir noch Millionen vulnerable oder ungeimpfte Menschen unter uns haben, die wir auch als gut geschützte Geimpfte anstecken können. Außerdem geht der Anstieg extrem schnell und es macht mir Sorge, dass die Zahl der Infektionen in den nächsten Wochen innerhalb von kurzer Zeit so hochschnellen könnte, dass unabsehbar ist, welche Auswirkungen das auf den Krankenhausbetrieb hat.

          Wie ist die Lage bei Ihnen aktuell?

          Unser Eindruck ist, dass wir zwischen den Wellen sind. Viele Patienten der Delta-Welle haben das Krankenhaus verlassen. Unsere Normalstation ist zu zwei Dritteln gefüllt, ähnlich ist es bei der Intensivstation. Insgesamt ist die Zahl der stationären Covid-Fälle in Hessen aber im Vergleich zum Delta-Höhepunkt erst um ein Drittel zurückgegangen – eine schwierige Ausgangslage für die nächste Welle. Wir konnten zwischenzeitlich nicht zum Regulärbetrieb zurückkehren. Um aufgeschobene Behandlungen nachholen zu können und Mitarbeitende zu entlasten, hätten wir eine längere Zeit mit wenig Covid-Fällen ge­braucht. Diese Probleme schieben wir weiter vor uns her. Derzeit kommen die ersten Patienten mit Omikron-Infektionen, aber die meisten haben milde Verläufe, da sie grundimmunisiert oder wegen einer anderen Erkrankung im Krankenhaus sind und nur zufällig positiv getestet wurden – ein bekannter Effekt bei sehr hohen Inzidenzen. Die Patienten haben zum Teil gar keine Symptome, müssen aber zum Infektionsschutz bei uns behandelt werden. Ich kann bei diesen geringen Fallzahlen noch keine Aussage dazu machen, wie schwer die Erkrankung mit Omikron verläuft. Dafür sind es noch zu wenige Patienten, die erst zu kurz bei uns liegen. Die Verschlechterung setzt meist erst nach acht oder neun Tagen ein. In Darmstadt sehen wir seit einer Woche einen sehr starken Anstieg der Inzidenzen. In zwei Wochen wissen wir mehr.

          Aber die meisten Patienten haben gerade einen milden Covid-Verlauf?

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