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Psyche und Coronavirus : Die Angst lebt von der Unsicherheit

  • -Aktualisiert am

Besonders in der sozialen Isolation kann sich die Angst ausbreiten. Das Gefühl ist primär nichts Schlimmes – der falsche Umgang damit schon. Bild: Reuters

Die Ausnahmesituation durch das Coronavirus verstärkt die Leiden von psychisch instabilen Menschen: Isolation, Depression, Angststörung. Gegen die Vereinsamung kann man etwas tun.

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          Auf leere Supermarktregale folgen nun leere Straßen – die Corona-Pandemie ist in Europa angekommen und mit ihr eine kollektive Unsicherheit. Der weitestgehende Stillstand des öffentlichen Lebens hat nicht nur ökonomische Auswirkungen. Homeoffice und Corona-Ferien berauben Menschen ihrer Alltagsstrukturen. Die Ausnahmesituation bricht dabei mit zahlreichen Gewohnheiten: kein Fußballtraining am Mittwoch und kein Besuch bei Oma am Sonntag. Und was ist eigentlich mit Kindergeburtstagen?

          Corona kennt keine Routine und die sich täglich ändernde Situation fordert eine Offenheit gegenüber der Unsicherheit. „Das macht vielen Menschen Angst. Wir haben lange in einer Illusion der Sicherheit gelebt“, sagt Jan Kalbitzer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der in Berlin die Stressambulanz einer Tagesklinik leitet. Die Welt sei schon immer ungewiss gewesen – wir hätten in den vergangenen Jahrzehnten nur gelernt, das auszublenden. „Wir sind an einem Punkt, an dem wir die Gefahren, die auf uns zukommen, nicht mehr ignorieren können.“ Angst sei primär nichts Schlimmes – der falsche Umgang mit dem Gefühl schon.

          Der Angst gemeinschaftlich begegnen

          Es sind die unbekannten Umstände des Virus, als die Krankheit selbst, die Ängste auslösen. Deshalb ist laut Kalbitzer der soziale Austausch so wichtig. Vor allem jetzt, wo die Regierung die Einschränkung sozialer Interaktion empfiehlt und vermehrt häusliche Isolation angeordnet wird. „Es geht allen Menschen so“, sagt Kalbitzer. Aber nicht alle Menschen gehen gleich mit der Angst um. Vor allem für Menschen, die ohnehin schon psychisch geschwächt sind, die an Depressionen oder Angststörungen leiden, ist die Corona-Pandemie gefährlich. Isolation kann zu Vereinsamung führen und psychische Krankheitsbilder verstärken.

          „Es ist wichtig, Kontakt zu diesen Menschen aufzunehmen und zu halten. Diese Menschen müssen jetzt unterstützt werden.“ Kalbitzer spricht damit eine Risikogruppe an, die neben älteren und vorerkrankten Personengruppen oft vergessen wird. Für psychisch Erkrankte ist das Virus ein idealer Nährboden, um sich sozial isoliert und von der Tagesstruktur entfremdet toxischen Gedanken hinzugeben. Genauso wichtig wie ein Einkauf kann also ein Anruf sein.

          Bewegung für psychische Gesundheit

          Auch für psychisch stabile Menschen ist diese Extremsituation anstrengend, der Mensch muss sich vollständig neu an ein Umfeld anpassen, das sich ständig verändert. Kalbitzer rät neben dem sozialen Austausch dazu, eine neue Tagesstruktur zu finden. Außerdem sei Bewegung wichtig – nicht nur für den Körper, sondern auch für die Psyche. Solange man noch nach draußen dürfte, sollte das mit genügend Abstand getan werden. Aber auch in der Wohnung gäbe es Möglichkeiten. „Man kann sich einen Parcour aufbauen und dort laufen, Hauptsache man bleibt in Bewegung.“ Körperlich aktiv zu sein bedeutet handlungsfähig zu bleiben. So fühlt man sich der Corona-Krise nicht ausgeliefert. Indem das persönliche Verhalten geändert und ein neuer Umgang mit der Krise gefunden wird, findet eine Annahme statt und die Angst wird weniger.

          Diese Anpassung ist in den vergangenen Tagen immer deutlicher zu spüren. Vor allem Künstler und Kreative verschieben ihr Angebot in die Online-Öffentlichkeit. Konzerte finden auf Twitter statt und Yogastunden werden auf Spendenbasis angeboten. All das hilft dabei, mit der Unsicherheit umzugehen. Das Gemeinschaftsgefühl nimmt einen wichtigen Platz ein. Egal, ob erkrankt oder nicht – weil das Virus die Strukturen durchwandert und sich Sars-CoV-2 durch die Gesellschaft frisst, verändert sich der persönliche Bezugsrahmen und vielleicht ist es ein Trost zu wissen, dass alle irgendwie betroffen sind und Ängste teilen.

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