„Björn-Steiger-Stiftung“ : Rettungswagen den Weg geebnet
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Melder der Nation: Siegfried Steiger Bild: Rüdiger Soldt
Seit dem Tod seines Sohnes kämpft Siegfried Steiger, Gründer der „Björn-Steiger-Stiftung“, für eine bessere Versorgung von Unfallopfern. So hat er das deutsche Rettungswesen modernisiert. Die einheitlichen Notrufnummern gibt es nun seit 40 Jahren.
Die Steinzeit des deutschen Rettungswesens liegt noch kein halbes Jahrhundert zurück. Es war die Zeit der „Rückspiegel-Rettung“. Wenn ein Verkehrsunfall passierte, dann kam mit Glück nach einer halben Stunde ein Krankenwagen. Mit Notärzten besetzte Fahrzeuge gab es nicht. In dem Auto gab es weder eine Beatmungsmaschine noch einen Defibrillator zur Wiederbelebung. Der Fahrer fuhr den Schwerverletzten ins Krankenhaus. Auf dem Weg konnte er für den Patienten nicht mehr tun, als ab und zu mal in den Rückspiegel zu schauen. Keine permanente Kreislaufüberwachung, keine weiteren Medikamente, keine Infusion, keine Beatmung.
Es war ein langer Weg zum besseren Rettungswesen. Geebnet hat diesen Weg Siegfried Steiger. Der 84 Jahre alte Mann wohnt in einem großzügigen Haus in Winnenden, im Nordosten von Stuttgart. Er kam in den fünfziger Jahren als Architekt nach Baden-Württemberg, verdiente gut. Steiger baute Verkaufsläden für die Konsumgenossenschaft und später die katholische Kirche in Winnenden. „Unser Leben nahm einen guten Verlauf. Zehn Jahre früher hätte ich mir nicht vorstellen können, so viel Geld zu verdienen.“
Kampf für modernes Rettungssystem
Dann wurden die Steigers von einem schweren Schicksalsschlag heimgesucht: Ihr acht Jahre alter Sohn Björn verunglückte am 3. Mai 1969. Er starb an einem Schock, weil er eine Stunde auf Hilfe warten musste. Steiger gründete noch im selben Jahr am 7. Juli die Björn-Steiger-Stiftung und machte den Kampf für ein modernes Rettungssystem zu seiner Lebensaufgabe. „Man sprach von Rettungsdienst, es gab aber keinen.“ Steiger testete in einer Kleinstadt, wie schnell man ärztliche Hilfe herbeitelefonieren kann. „Zuerst riefen wir die Polizei an, die hatte um 20 Uhr Dienstschluss gemacht, man wurde nicht an eine Zentrale weitergeleitet. Irgendwann erreichte ich die Frau des Bürgermeisters, die fragte dann wiederum bei der Frau des Sanitäters nach und teilte mit, dass er nicht zu Hause war.“
Die Stiftung setzte sich dafür ein, Krankenwagen mit Funkgeräten einzurichten, und sie kämpfte auch dafür, die einheitliche Notrufnummer 110/112 einzusetzen. Es gibt sie seit 40 Jahren, seit dem 20. September 1973. Die Rufnummer war am Anfang kostenpflichtig, und es fehlte eine bundeseinheitliche Regelung. „Für den Gesamtstaat waren das Kosten in Höhe von zehn Pfennig pro Einwohner. Es hieß dann immer, man könne das nicht finanzieren. Es gab damals pro Jahr 20.000 Verkehrstote, und man meinte, das sei der Preis des Fortschritts“, sagt Steiger. Dank Sicherheitssystemen in den Autos und dank gut ausgebautem Rettungssystem ist die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2012 auf 3600 gesunken.
Die Stiftung setzte sich auf breiter Front für ein verbessertes Rettungswesen ein: Sie stattete Krankenwagen mit Funkgeräten aus, unterstützte Forschungsprojekte, ließ Notarztwagen entwickeln und Notrufsäulen an den Straßenrändern aufbauen. Im Vor-Handy-Zeitalter halfen die Notrufsäulen, die Rettungszeiten zu verkürzen. 1990 betreute die Stiftung 7600 Notrufsäulen an Straßen mit einer Gesamtlänge von 35000 Kilometern. Da sich das Handy verbreitete und die Zahl der Funklöcher geringer wurde, begann die Stiftung damit, die Notrufsäulen abzubauen. Heute unterhält sie noch 1600. „Wir lassen sie dort stehen, wo es Funklöcher gibt, zum Beispiel zwischen Freudenstadt und Baden-Baden an der Schwarzwaldhochstraße.“
Die Stiftung sucht sich immer neue Projekte wie die Förderung von Baby-Notarztwagen oder die flächendeckende Versorgung mit von Laien zu bedienenden Defibrillatoren. Steiger und seinem Sohn Pierre-Enric Steiger, dem hauptamtlichen Präsidenten der Stiftung, fällt es aber schwer, das Modell weiter zu entwickeln. Im Jahr 2010 beantragte die gemeinnützige Stiftung beim Land Baden-Württemberg eine Landesbürgschaft, weil sie durch einen Steuerstreit mit dem Bundesfinanzministerium Liquiditäts-Probleme bekommen hatte.
Die Bürgschaft wurde zunächst sogar bewilligt. Weil es nach einem langen Rechtsstreit aber einen Vergleich mit dem Bundesfinanzministerium gab, brauchte Steiger das Landesgeld dann nicht mehr. Die Stiftung wirbt für eine Versorgung mit Baby-Notarztwagen. Davon sind viele Notärzte weniger begeistert. Sie glauben, dass die Fallzahlen zu gering sind. „In einer Stadt wie Stuttgart“, sagt ein erfahrener Notarzt, „sind das vielleicht zwei Fälle pro Jahr.“ Siegfried Steiger hält es nicht auf in seiner Mission, Menschenleben zu retten.